„Kummerkasten-Tante“ im Bundestag: E-Mails für die Bürger

Von Daniela Blohm, dpa

Ist Helmut Kohl zwei Meter groß? Wer hat die schönen blauen Stühle im Bundestag gebaut? In welchem Gesetz ist die Sommerzeit geregelt? Fragen über Fragen. Das Interesse am Deutschen Bundestag ist groß wie nie – zumindest online im Internet. Bis zu 50 Briefe beantwortet Kerstin Sieverdingbeck per E-Mail, täglich. „Ich bin die Kummerkasten-Tante beim Bundestag“, sagt die 27jährige Politikwissenschaftlerin fröhlich. Während sich die Sommerpause für Rita Süssmuth und die Abgeordneten erst langsam dem Ende naht, quillt der elektronische Briefkasten im Bundestag schon über. „Zur Zeit ist hier wahnsinnig viel los“, sagt Sieverdingbeck.

Unter der Adresse http://www.bundestag.de kamen allein in den letzten sechs Monaten mehr als 3 000 Briefe online an. Hinzu kommen tausende Bestellungen von Broschüren und Informationsmaterial. Anders als bei der Bundesregierung (www.bundesregierung.de), wo E-Mails über das Bundespresseamt an die zuständigen Referate weitergeleitet werden, ist die junge Frau beim Bundestag die „Exklusiv-E-Mailerin“. Das heißt: Die gesamte elektronische Post an den Bundestag landet auf ihrem Bildschirm. Sieverdingbeck antwortet auf jeden Brief – nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden.

Für viele Fragen muß sie selbst bei anderen Behörden oder Ministerien recherchieren. „Manchmal kostet das richtig Zeit“, sagt sie. Aber im Namen des Deutschen Bundestages geht natürlich vieles leichter. „Ich kriege Auskünfte, an die man sonst nicht so schnell kommt“, meint sie. Anfragen, die andere Einrichtungen betreffen, leitet sie weiter. So etwa den Brief einer Firma, die dem „Herrn Bundeskanzler“ professionelle Hilfe bei den Aufräumarbeiten im Hochwassergebiet schmackhaft machen wollte. Sieverdingbeck schrieb zurück, daß sie das Angebot an das Innenministerium weitergeleitet habe. „Und viel Glück bei ihrer Bewerbung!“ Die Frage nach dem Dissertationsthema von Helmut Kohl gab sie weiter an das Bundeskanzleramt.

Auch Kritik an den Abgeordneten leitet sie weiter – zumindest, wenn diese einigermaßen sachlich ist. „Wilde Beschimpfungen landen in der Ablage.“ Aber auch anonyme Schreiber haben keine Chance. Solche Briefe sind nach Worten der Expertin aber ohnehin nicht sehr häufig. Die meisten, die sich online an den Bundestag wenden, so ergab eine Umfrage, sind zwischen 25 und 35 Jahren alt. Sie interessieren sich für die Arbeitsweise des Bundestages, fragen nach den Adressen von Behörden und Ministerien oder wollen den neuesten Stand der Gesetzgebung wissen. Einmal im Monat lädt Sieverdingbeck die Nutzer zur Online-Konferenz mit Abgeordneten über ein akutelles Thema ein.

Insgesamt kommt das Online-Angebot des Bundestages bei den Internet-Surfern bestens an. „Cool“, „Super“,„einfach Spitze“, finden sie den unbürokratischen und schnellen Kontakt zum Parlament. Genau das wollte der Bundestag erreichen: „Die Distanz zwischen Bürgern und Parlament soll verringert werden“, sagt Sieverdingbeck.

Und die schönen blauen Stühle im Bundestag? Sechs Telefonate brachten die Lösung: Die hat eine Firma aus Bayern gebaut. Auch auf die Frage nach der gesetzlichen Regelung der Sommerzeit gab es eine schnelle Antwort: Das Gesetz über die Zeitbestimmung von 1978. Und die umgehende Antwort aus dem Kanzleramt auf die Frage nach der Größe von Helmut Kohl: „Der Bundeskanzler ist 1,93 Meter groß.“

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