Suchmaschinen vor dem
Jahr der Entscheidung

Von AP-Korrespondent Christian Andresen

Nein, das Nonplusultra ist die Homepage der deutschsprachigen Internet-Suchmaschine Lycos noch nicht. Eine Unmenge von Buttons verwirrt den Nutzer, neben der Funktion „Suche“ gibt es noch die „Suche spezial“, und zwei Suchbegriffe werden in der Standardeinstellung als Oder-Verknüpfung interpretiert, obwohl doch die Und-Verknüpfung viel naheliegender ist. Doch Lycos-Deutschland-Geschäftsführer Markus Riecke kennt die Schwächen seines Produkts. In den nächsten Wochen will er die Suchmaschine, ein Joint Venture von Lycos USA mit dem Bertelmann-Konzern, fit machen für den Kampf um Sein oder Nichtsein.

Im kommenden Jahr wird sich nach Rieckes Ansicht entscheiden, welche Suchmaschinen den Markt künftig dominieren werden. Zwar wächst das Interesse der werbungstreibenden Wirtschaft am Internet. Aber noch sind die Ausgaben so gering, daß sich nicht einmal die großen Adressenfinder daraus finanzieren können, geschweige denn unbegrenzt viele. Mal ganz davon abgesehen, daß eine größere Anzahl von Suchmaschinen den Anwender nur verwirren würde. Was der braucht, sind einige wenige Dienstleister, die schnell und gründlich recherchieren, und deren Adressen er schnell zugänglich als Lesezeichen (Bookmark) speichern kann.

„Wir sind jetzt schon hoffnungslos überlaufen“, sagte Riecke in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP. „Wir werden deshalb 1998 einen sehr starken Verdrängungswettbewerb erleben. Und ich glaube, daß einige nicht überleben werden.“ In Deutschland gebe es Platz für maximal fünf Suchmaschinen – und die seien alle schon präsent. „Das wird natürlich Yahoo sein, das werden wir sein, wahrscheinlich auch Fireball und noch ein, zwei andere“, fügte Riecke hinzu.

Doch die traditionellen Suchmaschinen verändern ihr Profil, wie der Mitbegründer des Suchdienstes Excite, Martin Reinfried, in der Zeitschrift „Computerwoche“ erklärte. „Die aktuellen Suchsysteme verfolgen derzeit ein Modell der kompletten Navigation. Dieses Modell ist stärker medienorientiert – anstelle einer übergreifenden Suchabfrage gibt es verschiedene Kanäle, die sich an Themen wie Sport oder Unterhaltung ausrichten.“

Für den harten Wettbewerb des kommenden Jahres haben sich Riecke und seine Mannschaft ähnliches einfallen lassen. Zu diesem Zweck soll das Lycos-Angebot thematisch geordneter Adressen- und Informationssammlungen, sogenannter Webguides, erweitert werden, ähnlich wie das beim Konkurrenten Yahoo der Fall ist. Insgesamt wird es voraussichtlich 15 bis 18 Themenbereiche geben, darunter Nachrichten, Wirtschaft, Sport, Shopping und Frauenthemen. Betrieben werden sollen sie allerdings von externen Partnern wie Tageszeitungen, die auf ihren eigenen Web-Seiten zudem Direktverbindungen zu Lycos installieren.

Das ist denn auch Rieckes eigentliches Ziel. 30 bis 60 Partner will er finden, die auf ihren Web-Seiten auf seine Suchmaschine verweisen. „Wir werden daran zwar kein Geld verdienen. Aber es geht auch erstmal nur darum, die Marke Lycos zu verbreiten.“

Wie bei Excite können Unternehmen auch bei Lycos schon jetzt sehr viel direkter werben als in anderen Medien. So verkaufen die Suchmaschinen unter anderem Werbeplätze, die an einzelne Suchworte gebunden sind: Gibt beispielweise ein Nutzer einen bestimmten Suchbegriff wie „Trinken“, „Gesundheit“ oder „Fitneß“ ein, wird automatisch eine Mineralwasser-Werbung eingeblendet. Damit werde es „leichter, den Werbenden größere Zielgenauigkeit einzuräumen“, erklärte Reinfried.

Riecke rechnet für das laufende Geschäftsjahr, das im Sommer 1998 endet, nach eigenen Worten mit einem Umsatz von 15 bis 20 Millionen Mark. „Aber das ist alles noch Kleckerkram“, sagte der Lycos-Geschäftsführer. Für 1998 erwartet er, daß sich der Umsatz verdoppelt und der Punkt erreicht wird, an dem sich die Investitionen rentiert haben.

Für das wirklich große Geld allerdings haben Riecke und Reinfried andere Visionen. Sie wollen am liebsten die Suchgewohnheiten der Nutzer registrieren und analysieren. Wenn das in Deutschland erlaubt würde, bedeutete das für die Werbewirtschaft, daß sie ganz gezielt agieren und jegliche Streuverluste vermeiden könnte. Wer oft nach Internet-Angeboten zum Thema Auto sucht, würde dann mit Autowerbung zugeschüttet, nicht aber mit Reisereklame, die ihn vermutlich gar nicht interessiert. Die amerikanische Lycos-Mutter wolle das in den USA gerade versuchen, berichtete Riecke. „Wenn sich das durchsetzte, wäre das eine Revolution in der Werbung.“

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