„Mail-Bombing“ und Kettenbrief

Von Tatjana Flade, dpa

Hamburg (dpa) – „Liebliche, heiratswillige Mädchen aus Rußland“ bietet die Vermittlungsagentur „Svetlana“ mit Sitz in St. Petersburg an – per E-Mail. Damit steht sie nicht allein: Viele Firmen, vor allem aus dem Ausland, werben direkt in den Computer. Zum Ärger der Mail-Nutzer. Auch der gute alte Kettenbrief hat den Sprung ins elektronische Zeitalter mit Leichtigkeit geschafft. Ob ominöse Drohungen – „Wenn Sie den Brief nicht weitersenden, passiert ein Unglück“ – oder die uralten Maschen, mit denen Geld gemacht werden soll: lästig ist es allemal, auch wenn es sich rasch löschen läßt. Verbraucher können sich bis jetzt nur wenig vor der unwillkommenen elektronischen Post schützen.

Die online-Dienste versuchen, etwas gegen die Werbung zu tun. „Wir haben bei T-online eine Nutzungsbeschränkung pro Teilnehmer eingeführt“, sagt Jörg Lammers von der Deutschen Telekom in Bonn. So könne seit Anfang des Jahres ein Teilnehmer innerhalb von 24 Stunden nicht mehr als 100 Mails versenden. Damit reagierte die Telekom auf ein „Mail-Bombing“ im vergangenen November, als ein Porno-Versender ihren E-Mail Server mit einer Massenwerbung tagelang blockiert hatte.

Konkurrent Compuserve will nichts Genaues über seine Maßnahmen verraten – aus Furcht, die Reklameprofis würden sie dann wieder austricksen. Doch damit „entsprechende Schritte“ gegen die Absender unerwünschter E-Mails eingeleitet werden können“, sollten alle Kunden ihren Providern immer mitteilen, wenn sie von Werbe-Mail belästigt werden, sagt Pressereferentin Doris Kretzen in München.

Thomas Baumgärtner von Microsoft Network in München sieht kaum Möglichkeiten für Schutzmaßnahmen. „Schreiben Sie an den Absender zurück und verbitten Sie sich die Werbung“, rät er. Beim Surfen durchs Internet sollten die Computernutzer auch vorsichtig mit ihrer E-Mail-Adresse umgehen und sie nicht so schnell preisgeben. Mit einem „E-Mail-Filter“ will der Provider AOL nach vielen Beschwerden seinen Kunden die Werbepost vom Halse halten. Die Reklame könne anhand der Absender identifiziert und herausgefiltert werden, sagt AOL-Sprecher Ingo Reese in Hamburg. Doch dafür muß man die erst einmal kennen.

Das ist allerdings ein Problem, denn die Versender arbeiten mit allen Tricks. „Oft sind die Absender-Adressen gefälscht“, warnt Bert Ungerer von der Internet-Fachzeitschrift „iX“ in Hannover. „Im Moment muß man leider sagen, daß diese Leute immer einen Schritt weiter sind als die, die sich davor schützen.“ Im Internet seien schon richtige „Adressenhändler“ aktiv, die Adressen sammeln und verkaufen. Zehn Prozent seiner elektronischen Post seien Werbung, sagt der Redakteur - vor allem von Porno-Anbietern. Aber auch Ehefrauen, Reisen und Computerzubehör werden angepriesen. Die Reklame kommt fast ausschließlich aus dem Ausland, insbesondere aus den USA. Die Beschäftigung mit den oft ellenlangen Kettenbriefen kostet auch teure online-Zeit.

Die Verbraucherzentrale in Hamburg, der das Problem inzwischen auch gut bekannt ist, plädiert dafür, E-Mail-Werbung mit Telefon- und Faxwerbung gleichzustellen und als wettbewerbswidrig zu verbieten. „Betroffene sollten sich beim Verbraucherschutzverein in Berlin melden,“ schlägt Beraterin Edda Castello vor. Der Verein könne zumindestens die Versender in Deutschland und der Europäischen Union abmahnen. Aber rechtliche Maßnahmen greifen kaum bei den „Mail- Bombern“: „Was soll sich ein kalifornischer Porno-Anbieter um deutsche Gesetze kümmern?“ fragt Redakteur Ungerer resigniert.

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