Der Computerspiel-Klassiker "Myst" hat einen Nachfolger:
Die Wunderbare Welt von "Riven"

Riven ist eine Wunderwelt, erschaffen von Menschen, die es gar nicht gibt. Anders gesagt: Eine Kreuzung aus dem „Herrn der Ringe“, „2001 – Odyssee im Weltraum“ und „Jurassic Park“ ohne Dinos. Oder, wieder anders: Riven ist die zweite Revolution auf dem Gebiet der Computerspiele.

Die erste Revolution geschah spät im Jahr 1993, als „Myst“ das kalte Licht des Kathodenbildschirms erblickte. Auch „Myst“ war eine Welt für sich, atemberaubend schön und ganz eigenen Gesetzen gehorchend (die NZ berichtete). In dieser Welt konnte der Spieler nach Belieben wandeln – böse Feinde und blutrünstiges Gemetzel, viel zu oft ein unverzichtbarer Bestandteil des PC-Amüsements, waren konsequent ausgesperrt. Und dennoch war „Myst“ eine Welt am Abgrund, deren Untergang abzuwenden war. Dazu mußte man allerlei Hieroglyphen entziffern und verzwickte Rätsel lösen – ein Spaß, der weniger niedere Instinkte als vielmehr den spielerisch veranlagten Intellekt befriedigte.

Kein Wunder also, daß Myst bis heute das am meisten verkaufte PC-Spiel aller Zeiten ist. Doch nach fast genau vier Jahren – in der Computer-Branche eine schiere Ewigkeit – wurde es Zeit für einen Nachfolger. Das ist eine beliebte Übung, die nur leider so gut wie nie glückt; Ausnahmen sind allenfalls die immer ausgereifteren Fortsetzungen der „Wing Commander“-Saga, bei denen von Gewaltfreiheit allerdings keine Rede sein kann.

„Riven“ aber, die langersehnte Fortsetzung von „Myst“, macht auch bei dieser Regel eine Ausnahme. Die heutigen Möglichkeiten der Computertechnik boten die Voraussetzungen für einen Quantensprung, sowohl was Ästhetik, als auch was den Umfang des Spiels angeht. Die Macher brüsten sich mit über 4.000 hochauflösenden Farbszenerien, drei Stunden Animation und zwei Stunden Ton, das alles gepreßt auf fünf CD-Roms, wo „Myst“ noch mit einer einzigen auskam.

Doch was sind nackte Daten, wenn es darum geht, ein bislang nicht dagewesenes Spielerlebnis zu beschreiben. Vielleicht tut man das am besten so: An einem grauen Novembertag in das erste Bild von „Riven“ einzutreten – das ist, als steige man unvermittelt auf Teneriffa aus dem Flugzeug: Die Sonne taucht die Szenerie in helles Licht, die Zykaden zirpen und das tiefblaue Meer glitzert in sanftem Wellengang. Auf den ersten (und auch noch auf den zweiten und dritten) Blick wirkt das Ganze so echt, daß man die Kamera auspacken und ein paar Erinnerungsfotos schießen möchte.

Aber eigentlich gibt es ja keine Zeit zu verlieren, sondern ein Rätsel zu lösen. Denn auch Riven ist eine Welt am Abgrund: Einst erschaffen durch den weisen Artus, der die Welt in einem Buch beschrieb und sie dadurch zum leben erweckte, hat nun das Böse Besitz ergriffen von „Riven“. Mittels eines „Verbindungsbuches“ (das „Riven“-Äquivalent zum „Transporterraum“ des Raumschiffs Enterprise) beamt sich der Spieler an Ort und Stelle und beginnt mit der Enträtselungsarbeit. Es gilt, Hinweise zu sammeln und Mysterien zu entschleiern, damit die Bewohner der wunderbaren Welt und vor allem Cat harina, Atrus' Tochter, gerettet werden können.

Das herumrätseln am Bildschirm macht riesig Spaß, keine Frage; es wird dank der epochal schönen Bilder und des exquisiten Stereo-Sounds auch nicht so schnell langweilig. Aber eines muß man doch einwenden: So friedlich die Welt von „Riven“ aussieht, so menschenleer und letztlich autistisch ist sie auch. Es gibt zwar durchaus Ansiedlungen, Häuser und Lebewesen auf „Riven“ – doch man sieht sie stets nur von Ferne. Selbst jene Kreuzung aus Delphin un Seehund, die sich auf einer Sandbank sonnt, flüchtet ins offene Meer, sobald der Spieler sich nähert.

Vielleicht darf man das aber auch als Trost verstehen: Künstliche Welten erschafft der Computer inzwischen mit Perfektion – an künstlichen Menschen scheint er noch zu scheitern.

Thomas Gerlach

„Riven“, Cyan Entertainment/Broderbund Software.

Systemanforderungen:
PC: Pentium 100, Windows 95, 16 MB Speicher, 4-fach CD-Rom.

Apple:
PowerMac, 9 MB Speicher

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