„Windows 98“: Microsoft
investiert groß in Internet-Technologie

Von Christoph Dernbach, dpa

Zwei Jahre nach der Präsentation von „Windows 95“ arbeitet der US-Softwareriese Microsoft mit Hochdruck an der Einführung eines völlig überarbeiteten Betriebssystems für Personal Computer. Ob die unter dem Codenamen „Memphis“ entwickelte Software als „Windows 97“ noch kurz vor Jahresende an die Computerhersteller ausgeliefert wird, oder ob das neue System erst im kommenden Jahr als „Windows 98“ auf den Markt kommt, steht aber noch in den Sternen.

Computeranwender in aller Welt können schon in diesen Tagen ein Herzstück des neuen Windows-Systems kennenlernen, das neue Internet- Programm. Eine Vorversion („Preview“) des „Microsoft Internet Explorer 4.0“ steht von diesem Dienstag an auch den deutschsprachigen Computernutzern zur Verfügung (im Internet: http://www.microsoft.com/ie/download/).

Mit „Memphis“ versucht Microsoft, die Grenzen zwischen den Daten auf dem lokalen Rechner und dem weltumspannenden Computernetzwerk Internet aufzuheben. Ob sich eine Information nun auf der Festplatte befindet oder auf einem weit entfernten Rechner irgendwo im Internet - das soll künftig keine Rolle mehr spielen.

Windows wird zum Explorer

Dementsprechend haben die Microsoft-Entwickler das Design von Windows der Erscheinungsweise des Web-Zugriff-Programms „Internet Explorer“ angepaßt. Interaktive Inhalte aus dem World Wide Web – wie Börsenkurse oder Nachrichten – können künftig direkt auf dem „Desktop“ des PC plaziert werden; ohne daß wie bisher ein Spezialprogramm geladen werden muß.

Bill Gates will das Verschmelzen von Personal Computer, globaler Datenkommunikation und TV mit allen Mitteln voranzutreiben: Deshalb investiert Microsoft allein im kommenden Geschäftsjahr 1,5 Milliarden Dollar (2,7 Mrd DM) in die Forschung und Entwicklung von Internet- Technologien.

Jahrelang das Internet unterschätzt

Dabei hatte der Microsoft-Chef jahrelang die Auswirkungen des Internets auf den PC und das PC-Betriebssystem völlig unterschätzt. Erst am 7. Dezember 1995 verkündete er mit markigen Worten die Kehrtwende seines Unternehmens. Am Jahrestag des Überfalls Japans auf die USA im Zweiten Weltkrieg verglich Gates den Aufstieg der jungen kalifornischen Internet-Softwarefirma Netscape mit der Attacke Japans auf Pearl Harbor. Netscape habe wie damals Japan „einen schlafenden Giganten geweckt“.

Anderthalb Jahre danach hat Microsoft den gewaltigen Vorsprung, den Netscape sich mit seinem Internet-Programm „Navigator“ erarbeitet hatte, eingeholt. Der Branchenguru der internationalen Online-Szene, Robert Seidman, glaubt sogar, daß die Gates-Firma mit dem „Internet Explorer 4.0“ endgültig den „Krieg der Web-Browser“ gewonnen hat.

Davon geht auch die internationale Marktforschungsgesellschaft Forrester Research aus: „Spätestens in zwei Jahren wird Microsoft mehr Internet-Browser ausliefern als der Erzrivale Netscape, der heute noch die Nase vorne hat.“ 1999 würden weltweit 78 Millionen Browser einen Abnehmer finden, knapp 60 Prozent davon würden dann von Microsoft stammen, nur noch rund 40 Prozent vom Browser-Erfinder Netscape.

Die Internet-Pioniere von Netscape reagieren gelassen auf diese Zahlen und verweisen stolz auf andere Marktforschungsstudien, nach denen sich der Einsatz von Netscape-Produkten in Firmen schon nach sehr kurzer Zeit kommerziell rentiert hat. Netscape-Chef Jim Barksdale sieht deshalb auch den Erfolg seiner Firma nicht gefährdet: „Wenn Du auf einer schmalen Straße im Auto sitzt und von hinten kommt ein großer Truck, der Dich in den Abgrund stürzen will, dann muß Du nur schneller fahren als er.“

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