Schülerprojekt: Damit arm sein
nicht out sein bedeutet
Am Pirckheimer Gymnasium Nürnberg wurde Kleidung für junge Obdachlose gesammelt – Hilfe für Straßenambulanz von Bruder Martin

„Damit arm sein nicht out sein bedeutet“, lautete das Motto der „etwas anderen“ Kleidersammlung, die im Juli am Pirckheimer-Gymnasium Nürnberg stattfand. Das Schülerprojekt war und ist speziell für bedürftige Jugendliche gedacht, die bei Spendenaktionen gewöhnlicherweise leer ausgehen.

Über 430 kg zeigte die Waage, als Schüler die gespendeten Jeans, T-Shirts, Sweatshirts und andere Kleidungsstücke auflegten. Säckeweise wurden Kuscheltiere abgegeben, die bei obdachlosen Jugendlichen besonders gefragt sind, darunter auch ein menschengroßer Plüschelefant. „Und alles in tadellosem Zustand“, stellte Lehrerin Sabine Horst stolz fest.

Auf die Idee, eine Kleidersammlung zu organisieren, kam sie während eines Diavortrages des Franziskanerbruders Martin Berni. Dieser machte schon zuvor mit seiner Straßenambulanz „Franz von Assisi“ Schlagzeilen.

Dreiviertel der Kleider, die bei einer vorhergehenden Sammlung gespendet wurden, waren laut Bruder Martin „nicht einmal als Putzlappen gut“.

Jugendgemäße Kleidung zu finden ist für den gelernten Krankenpfleger besonders schwierig, er benötigt sie jedoch dringend, weil viele seiner Schützlinge erst sechzehn oder siebzehn Jahre alt sind. Gepflegtes Aussehen helfe, Vorurteile abzubauen. Außerdem sei es wichtig, daß durch frische Kleidung für ausreichende Hygiene gesorgt wird. Gerade an der Hygiene fehle es häufig. Die medizinische Versorgung für Obdachlose sei miserabel, so der Franziskaner.

Die Möglichkeit, sich über das Sozialamt einen Krankenschein zu besorgen, stellt für Nichtseßhafte ein unüberwindbares bürokratisches Hindernis dar. Deshalb bemüht sich Bruder Martin in seiner Ambulanz im Hummelsteiner Weg um eine medizinische Basisversorgung von Obdachlosen. Daß er die Obdachlosen auch vor Ort aufsucht, hat ihm den liebevollen Spitznamen „Untergrundpater“ eingebracht.

In Deutschland reißen jährlich ungefähr 20 000 Jugendliche von zu Hause aus. Über die tatsächliche Zahl der obdachlosen Jugendlichen schweigen sich die Sozialämter jedoch aus. Die Teenager flüchten vor dem Mißbrauch, vor Vergewaltigungen, vor den Alkoholproblemen ihrer Eltern, aber auch vor deren fehlendem Verständnis für die Probleme ihrer Kinder. Neuerdings kommen auch immer wieder Schüler zum Frühstück, die zu Hause nichts zu Essen bekommen, da ihre Eltern meist berufstätig und alleinerziehend sind.

Zu Bruder Martins Stammkundschaft gehören aber vor allem Drogenabhängige, Strichjungen und Punks, von denen die meisten aus chaotischen Familienverhältnissen kommen. Für jugendliche Drogenabhängige gäbe es ohne Therapie keine Chance, dem Teufelskreis zu entfliehen.

„Die Armut vor unseren Türen geht unter die Haut“, stellt Martin fest und ergänzt mit einem traurigen Lächeln: „Vielleicht jagt sich deswegen immer einer meiner Punks eine Sicherheitsnadel durch die Haut, wenn er in einer depressiven Stimmung ist.“

Auch Stricher gehören zu den „Klienten“ der Straßenambulanz. Es sind meistens Jungen im Alter von 13 bis 14 Jahren. Martin schätzt die Zahl auf 200, von denen einige morgens zum Duschen in die Ambulanz kommen.

Im Kontakt mit Punks gab es anfangs Berührungsängste, gibt Martin zu. Er mußte erst lernen, Punkerfrisuren mit Uhrmachergenauigkeit zu schneiden. „Wenn da ein Haar falsch liegt, werden die schon fuchtig“, erzählt er, „denn Punks legen Wert auf ihr Äußeres.“ Besonders scharf seien die Punks auf seine Kutte. „Wo kriegt man so ein Teil her?“ lautet die Standardfrage. „Seine Punkies“ sind ihm ans Herz gewachsen, was auf Gegenseitigkeit beruht, denn der Franziskaner ist inzwischen zum „Ehrenpunk“ ernannt worden und trägt nun als Erkennungszeichen einen Ohrring

OLIVER STRÖBEL,
Pirckheimer-Gymnasium Nürnberg

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