Im Ausland gelingt der
Blick über den Tellerrand

Till bekommt strahlende Augen bei der Vorstellung, sein elftes Schuljahr in den USA zu verbringen. Daniela, gerade im Abi-Streß, träumt von einem freiwilligen sozialen Jahr in Südamerika; Kathrin will vor dem Studium in Paris Kinder als Au-Pair-Mädchen hüten und Markus will "einfach mal im Ausland arbeiten oder studieren".

Nun ist die Welt leider genauso groß wie die Träume der vier, und bei der Unzahl an Angeboten verirrt man sich leicht in der Ferne. Doch Markus, Till, Daniela, Kathrin und tausenden anderen kann geholfen werden: schließlich gibt es die Jugendinformation Nürnberg, eine städtische Anlaufstelle. "Wir kennen die Organisationen und Initiativen, die Auslandsaufenthalte vermitteln, wir geben ihre Angebote weiter und beraten die jungen Leute", sagt Barbara Bauer, eine der Mitarbeiterinnen der Jugendinformation, die alle Jahre wieder große Info-Börsen organsiert.

Dort erzählen die einen von ihren Erfahrungen, die anderen holen sich Informationen und guten Rat. Till ist dort seinem Ziel ein großes Stück näher gekommen. Hermann Riedl vom American Field Service (AFS) hat ihm alles Wissenswerte für sein Schuljahr in Amerika berichtet. Der AFS vermittelt seit 50 Jahren Jugendliche in die USA und andere Länder und ist auch in Nürnberg mit einem Komitee vertreten.

Natürlichkeit zählt

Till wird nach seiner Bewerbung vom AFS zu mehreren "Auswahl- und Bewerbungswochenenden" eingeladen. Dort muß er das Komitee vor allem von seinen sozialen Fähigkeiten überzeugen. "Aufgeschlossenheit und Natürlichkeit sind viel wichtiger als gute Noten", betont Hermann Riedl, "schließlich kommt es darauf an, sich in die Gastfamilie und ihre Gewohnheiten einzufügen."

Deshalb vermittelt der AFS auch Gebräuche eines Landes. "In den USA gilt es zum Beispiel als unhöflich, seine Zimmertür zu schließen - da kann es leicht zu Mißverständnissen kommen", sagt Hermann Riedl. Wenn der AFS eine passende Familie für Till gefunden hat, kann es losgehen. "Nach den ersten Heimweh-Attacken fühlen sich die Gastschüler in der Regel pudelwohl", berichtet Riedl aus eigener Erfahrung, "und kommen dann reifer und selbstbewußter nach Hause."

Schüler, die kein ganzes Jahr von zu Hause wegwollen, können auch in den Ferien Auslandsluft schnuppern - in "Jugendbegegnungen" und "Homestays", also Ferienaufenthalten, bei denen man zum Beispiel spanische Jugendliche in Andalusien trifft, oder mehrwöchigen Aufenthalten bei ausländischen Familien, an die Sprachkurse gekoppelt sind.

Die meiste Auswahl hat im Grunde der, den das Fernweh erst nach dem Abi packt - auch wenn es bei exotischen Wünschen schon mal eng werden kann. Daniela stöhnt: "Es gibt so wenige Plätze und ein so strenges Auswahlverfahren für mein soziales Jahr in Südamerika!" Stimmt: im Ausland Kranke pflegen oder bei sozialen Projekten mitmachen darf nur, wer zu Hause schon einschlägige Erfahrungen gesammelt hat - und wer hat das schon mit gerade mal zwanzig Jahren.

Kathrin hat es da leichter mit ihrem Plan, bei einer französischen Familie im Haushalt zu helfen, die Kinder zu betreuen und gleichzeitig Sprachunterricht zu nehmen. Solche Au-Pair-Stellen sind ausreichend vorhanden. Außerdem erfüllt Kathrin alle notwendigen Voraussetzungen", so Heide Sprenger vom Verein für Internationale Jugendarbeit, "sie liebt Kinder, hilft gern im Haushalt, hat Erfahrungen als Babysitter, den Führerschein - und sie liebt Frankreich und die französische Sprache!"

Der Verein, für den Heide Sprenger arbeitet, vermittelt Au-Pair-Mädchen in fast alle westeuropäische Länder, in die USA und nach Südafrika. Weil in fast jeder Stadt ein Büro vorhanden ist, finden die Mädchen leicht einen Ansprechpartner, wenn Probleme mit der Gastfamilie auftauchen. "Gruselgeschichten von Ausbeutung und anderen Schikanen erzählen meist nur die, die sich auf private, unbekannte Vermittler eingelassen haben", meint Heide Sprenger. Falls es doch Probleme gibt, kann das Mädchen auch in eine andere Familie wechseln.

Ein Schuljahr, ein soziales Jahr, ein Au-Pair-Jahr im Ausland - das sind längst noch nicht alle Möglichkeiten, in die weite Welt zu ziehen. Markus, der "einfach mal im Ausland arbeiten oder studieren" will, hat eine breite Auswahl: er kann zum Beispiel in einem "Work-Camp" an einem internationalen gemeinnützigen Projekt mitarbeiten. Ein Beispiel dafür ist eine Maßnahme gegen Ausländerfeindlichkeit, bei der Skinheads mit Ausländern zusammentreffen und mit ihnen ein Jugendhaus bauen. Ähnliche Inhalte haben die sogenannten "Friedensdienste" oder "Freiwilligeneinsätze".

"Man sollte auf keinen Fall glauben, daß ein Job im Ausland eine Art Kombination aus Weltreise und Geldverdienen ist", warnt Marianne von Bönninghausen, die beim Nürnberger Arbeitsamt mit der Zentralen Arbeitsvermittlung in Frankfurt solche Jobs vermittelt und dabei durchaus mal Illusionen zerstört. "Ein Obsternte-Helfer oder ein Deutschlehrer ist auf einen Standort festgelegt und verdient sich meistens gerade mal ein Taschengeld." Wem es aber auf die persönliche Erfahrung, auf den Kontakt mit Menschen anderer Länder und Kulturen ankommt, wer lernen will, über den sprichwörtlichen Tellerrand hinauszuschauen, der wird auf seine Kosten kommen - egal welche Art von Auslandsaufenthalt er wählt. Alle, die diese Erfahrung hinter sich haben, bestätigen: "Du wirst ein anderer Mensch: offener, selbstsicherer, reifer." HELGA BOSCHITZ

Informationen rund um das Thema "Leben und Arbeiten im Ausland" bietet die Jugendinformation Nürnberg, Hintere Insel Schütt 20, 90403 Nürnberg, Telefon 0911/22 48 15.