„Nicht jeder mag uns“
Den Punkrock etabliert: Interview mit Andy von den „Toten Hosen“

Die Toten Hosen, Deutschlands bekannteste Punkrock-Band, schwimmt auf Erfolgskurs. Kaum zu glauben, daß aus den Bürgerschrecken von einst ein Bestseller geworden ist. extrablatt-Mitarbeiter Stefan Gnad sprach mit „Hosen“-Bassist Andy über Veränderung, Erfolg, Opel und die „Kelly Family“.

Hey, cool . . .

Andy (grinst): Ja, cool. Find' ich auch.

Ich meinte eigentlich die Stimmung bei euch hinter der Bühne. Da trifft man lässige Menschen mit bunten Haaren und gar nicht so viele Anzugtypen.

Andy: Viele Leute, die hier mitfahren, kennen wir schon sehr lange. Sie kommen auch aus unserem Umkreis. Sicherlich nicht alle. In unserem Umfeld sind aber schon ein paar, die mit uns groß geworden sind und auch hier auf Tour mit uns herumfahren.

Es hat fast den Anschein, daß heute jeder die Toten Hosen mag . . .

Andy: Weiß ich nicht. Erst mal glaub' ich nicht, daß uns jeder mag. Das wäre ja schlimm! Außerdem konzipieren wir unsere Musik nicht für irgend jemanden. Wir machen Musik, weil wir meinen, daß das, was wir machen, gut ist. Wenn jemand damit eine gute Zeit hat, ist das für uns in Ordnung.

Kann man erfolgreich sein, ohne sich zu verkaufen?

Andy: Ich glaube schon. Letztendlich kommt es nur darauf an, ob man hinter dem, was man macht, stehen kann oder nicht. Wenn ich eine gute Nummer mache, die plötzlich alle gut finden, was ist dagegen zu sagen? Der Punkt ist nur, wenn du anfängst, Musik zu machen, um damit bestimmte Menschen zu erreichen, dann bescheißt du dich selbst und dein Publikum.

Der Preis des Erfolgs ist es dann aber wohl, mit der „Kelly Family“ auftreten zu müssen?

Andy: Das war in einer Fernsehshow. Beim Fernsehen ist es generell so, daß wir zehn Anfragen bekommen und neun davon in den Papierkorb schmeißen. Hier hatten wir die Möglichkeit, in einer Musikshow aufzutreten, die im Fernsehen übertragen wird und drei Lieder zu performen. Daß das nicht unser Rahmen ist, wissen wir auch, nur: der ist es nie beim Fernsehen. Insofern ist das natürlich eine Sache, wo man manchmal Kompromisse eingehen muß.

Euer Best-of-Album „Reich & Sexy“ ist unter dem Titel „Love, Peace & Money“ auch mit englischsprachigen Versionen der „Hosen“-Lieder erschienen. Der große Durchbruch im Ausland ist aber trotzdem ausgeblieben.

Andy: Darum ging es gar nicht. Um in England und Amerika den großen Durchbruch zu landen, müßtest du Monate und Jahre daran arbeiten. Wollen wir gar nicht! Wir haben das in Deutschland gemacht, haben in jeder Toilette gespielt. Der Sinn von „Love, Peace & Money“ war aber, daß wir damit nun in all diese Länder fahren können. Für uns war das schon immer Abenteuerurlaub, ob Amerika, England, Skandinavien oder Argentinien. Englisch ist nun mal die Sprache, die die meisten Menschen verstehen, und wir wollten, daß die Leute im Ausland mitbekommen, über was wir singen.

Was hat sich mit dem Erfolg in eurem Leben geändert? Seid ihr nicht auch froh, wenn ihr abends eure Ruhe habt?

Andy: Auf Tour ist es gar nicht so, daß wir jeden Abend Party feiern. Da sollte man schon versuchen, einigermaßen fit zu sein, sonst überlebt man das nicht. Wir machen das lange genug, um zu wissen, was dann passiert. Das endet damit, daß ein paar Konzerte abgebrochen werden müssen.

Fahrt ihr eigentlich noch immer Opel?

Andy: Ich fahre wirklich noch einen Opel, aber das ist bei uns kein Gesetz. Es wäre jedoch auch eine Lüge zu behaupten, daß sich in unserem Leben nichts verändert hätte. Natürlich hat sich da etwas verändert, ganz klar. Ich weiß heute, daß ich meine Miete zahlen kann, da brauche ich mir keine Gedanken zu machen. Das wußte ich früher nicht. War aber auch egal.

Ihr habt so ziemlich alles geschafft in eurer Karriere . . .

Andy (unterbricht): Nee, die Rallye Paris–Dakar haben wir noch nicht geschafft. Die wollten wir schon immer mal fahren!

Naja, aber die gibt es nun ja nicht mehr. Ansonsten dürftet ihr aber so ziemlich alles erlebt haben . . .

Andy: Ach, hättest du mir die gleiche Frage vor eineinhalb Jahren gestellt, und ich würde dir jetzt erzählen, was in dieser Zeit alles passiert ist – wenn ich das alles nicht mitgemacht hätte, würde ich mich verdammt ärgern! Das letzte Konzert der Ramones vor 50 000 in Buenos Aires, den Rosenmontagszug, das Eishockeyspiel gegen die Leningrad Cowboys – da wäre man nie darauf gekommen, daß so etwas mal stattfinden wird!

Stichwort „Magical Mystery Tour“: Was muß ich tun, damit die Toten Hosen bei mir zu Hause auftreten?

Andy: Du mußt irgend etwas Originelles haben, damit wir bei dir zu Hause vorbeikommen. Die Liste ist lang inzwischen und unser Karton ziemlich voll, aber wenn es irgend etwas gibt, von dem wir meinen, daß es Spaß macht, dann fahren wir da vorbei.

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