Familiäre Atmosphäre in schwarzer Kluft
„Voice“ in Schwabach lockt Waver aus nah und fern – Abwechslung vom Alltag – Viele Vorurteile

Es gibt sie noch die Waver, die blaßgeschminkten Wesen der Nacht mit schwarzem Dress-Code. Ihre Anlaufstelle liegt im Zentrum Schwabachs und heißt „Voice – The Wave Club“ (Rathausgasse 2-4). Der Club hat Tradition: In den 80er Jahren, als die melancholische Düsternis bei Mode, Musik und Lebenseinstellung boomte, pilgerten Massen aus der gesamten Region in das damalige „New Wave“. Auch heute kommen die Gäste sogar aus Würzburg und München.

Katja und Stefan kennen das Kellergewölbe schon seit vielen Jahren: „Das ist die einzige Diskothek, wo man noch hingehen kann“, findet Katja. „Du wirst hier anders als in Nürnberger In-Discos nicht blöd angeschaut, wenn du schwarz angezogen bist.“ Im Gegensatz zum „New Wave“ sei der Besuch im „Voice“ eine Abwechslung vom Alltag, meint Stefan, da stecke nicht mehr die große Philosophie dahinter. „Die meisten der Leute hier würde man wochentags wahrscheinlich gar nicht erkennen, weil sie so normal rumlaufen wie jeder andere.“

Schwarz ist zwar die Hauptfarbe, doch das Styling der Besucher ist individuell: Sie tragen Lederhosen, Doc Martins, Hot-Pants aus Lack und dazu Springer-Stiefel, auch der Irokesen-Schnitt gepaart Domestos-gebleichten Jeans ist hier anzutreffen. Die Tanzfläche gegenüber der mit Grablichtern beleuchteten Theke ist der Mittelpunkt des „Voice“. Blaue und grüne Strahlen schießen durch den Kunstnebel und tauchen die Tanzenden in ein technoides Licht.

Von einer Kanzel aus sorgt Marco, einer der drei Stamm-DJs, für Stimmung. Der 31jährige hat bereits 1982 im „New Wave“ aufgelegt und den Musikstil vor fünf Jahren im Rockclub „Voice“ wieder eingeführt. „Das Publikum hier ist sehr anspruchsvoll“, sagt Marco, „aber es ist absolut Feuer drin.“ Ab September wird der Amberger den Freitagabend prägen mit einer ausgewählten Mischung: Sie reicht von den direkten, schnellen Beats der Electronic Body Music (EBM) über die mittelalterlichen, melodiösen Klänge des Gothic bis hin zu 80er Oldies von DAF oder Visage. Seine derzeitigen Favoriten: „The perfect drug“ von Nine Inch Nails, „Tanzwut“ von Corvus Corax und Underworlds „Moaner“.

Martin kommt jedes Wochenende von Ansbach hierher. Der 20jährige sieht aus wie ein gruftiger Paradiesvogel: die Augen schwarz umrandet, Kajalstift und Spitzer griffbereit in der Hosentasche, die Oberkopfhaare rinnenartig hochgestylt, um seinen Hals baumeln ein Knochen und ein Kreuz. Martin kennt die Voruteile gegenüber „Schwarzkitteln“ gut: „Die meisten Leute denken, daß wir nachts auf Friedhöfen rumspringen oder schwarze Messen feiern.“ Doch der eigentliche Verbindungspunkt in der Szene sei einfach die Musik.

Auch Holger Stark, der das „Voice“ seit Anfang August in alleiniger Regie führt, kann sich über regelmäßige Anfeindungen gegenüber seinen Gästen oft nur wundern: „Die sind sehr friedlich und tolerant“, betont er und freut sich über die familiäre Atmosphäre in seinem Club. Davon zeugen zahlreiche Ansichtskarten an der Thekenwand, die Stammbesucher ihrer zweiten Heimat aus dem Urlaub zugeschickt haben. Und noch ein Gerücht will Stark aus der Welt schaffen: Es wird auch nach dem Umbau, der zur Zeit an den Ruhetagen über die Bühne geht, kein House oder Techno gespielt! Das „Voice“ ist Freitag und Samstag von 21 bis drei Uhr geöffnet, ab Mitte September auch wieder donnerstags von 21 bis zwei Uhr.

DENISA RICHTERS

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