Airbag 2000 denkt mit

Große Aufregung und Verunsicherung in den USA: Seit bekannt wurde, daß seit April 1993 mindestens 28 Kinder bei Unfällen durch die Wucht der blitzschnell auslösenden Beifahrer-Airbags getötet und mindestens acht weitere schwer verletzt wurden, ist die Diskussion über die Vor- und Nachteile des Luftsacks voll entbrannt. Fatal: alle Kinder saßen auf dem Beifahrersitz und waren nicht angeschnallt oder anderweitig gesichert.

"Wenn sich die amerikanischen Autofahrer endlich mehrheitlich anschnallen würden, gäbe es keine Zweifel an der Wirksamkeit des Airbags", meinte dazu ein deutscher Sicherheitsforscher. Im Unterschied zu den USA ist der Airbag im Sicherheitssystem für deutsche Autofahrer nur eine wichtige Ergänzung zum Dreipunktgurt (neuerdings mit Gurtstraffer). Nachdem dessen Schlüsselrolle unbestritten ist, gilt die Anschnallpflicht deshalb auch in Autos, die mit Airbags ausgestattet sind.

Weil die Anlegequote in den USA zu niedrig ist, entstanden Sicherheitsgesetze, die unnötig voluminöse Airbags zur Folge hatten. Entsprechend groß ist die Gasmenge, die zu deren Entfaltung notwendig ist. Entsprechend gewaltig die Wucht, mit der das Luftkissen dem nicht angegurteten Insassen entgegenschlägt. Das kann für Kinder auf dem Beifahrersitz nicht nur tödliche Folgen haben, das hat sie - siehe oben. In Autos mit Beifahrer-Airbag, die in Deutschland verkauft werden, warnen deshalb mehr oder minder große Aufkleber davor, Kinder auf dem Beifahrersitz zu transportieren, egal mit welchem Kindersicherheitssystem.

Dies kann sich erst ändern, wenn der "intelligente" Airbag einsatzbereit ist, der sich jeder Unfallsituation individuell anpaßt. Wie der aussehen soll, darüber machten sich Experten beim 3. Fachsymposium Airbag 2000 des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie Gedanken. Die künftige Airbag-Generation wird danach durch verstärkten Einsatz von Sensortechnik frühzeitig den Unfallverlauf voraussehen, die Position der Insassen erkennen und schließlich den Airbag "bedarfsgerecht" auslösen. Oder auch nicht auslösen, z. B. wenn die Aufprallgeschwindigkeit niedrig ist oder Babys bzw. Kleinkinder im Kindersitz gegen die Fahrtrichtung mitfahren

Die Zukunftsszenarien umfassen u. a. auch den Einbau einer Serie von Kleinst-Airbags (Multi-Bag-System). Dabei werden mehrere kleine Prallsäcke so um den Insassen angeordnet, daß seine empfindlichsten Körperteile bei einem Unfall geschützt werden. wh

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© Nürnberger Nachrichten 1996