Sanftes Kribbeln im Nacken

Fahrbericht von Wilfried Hierse

Der Vierzylinder-Sportwagen 944/986 hatte ihn nicht, den unverzichtbaren Stallgeruch. Der Boxster wird dagegen als echter Porsche akzeptiert, von den Enthusiasten wie von Porsche-Erstkäufern. Entsprechend groß ist die Nachfrage, resp. Lieferzeit.

Dabei geht einem der Boxster gar nicht so glatt durch, wie es der lange Vorderbau mit dem neuen Markengesicht erwarten ließe. Die Löcher zur Beatmung des vor der Hinterachse plazierten Motors sind wenig elegant eingesetzt. Das ausladende Heck mit dem dicken Endrohr macht einen puzzeligen Eindruck. Die Stoffmütze wirkt ein bißchen plump (stimmiger und zugleich extravagant: das Hardtop). Erst wenn das Dach – nach Entriegeln des Zentralverschlusses und elektrisch – in rekordverdächtigen 12 Sekunden unter der Abdeckung verschwunden ist, strahlt der Flachmann geballte Dynamik aus.

Dann bleibt einem nur noch die Aufweichung klassischen Sportwagendesigns im Inneren zu beklagen: ineinandergefügte Rundinstrumente mit analogen und digitalen Anzeigen und darum gruppiert Schalter und Knöpfe in modischer Ovalform. Das Zweier-Abteil ist auch für Großgewachsene erstaunlich geräumig, die Sitzposition angenehm tief. Offenfahren wird dadurch zu einer windigen, nicht aber zu einer stürmischen Angelegenheit. Die typischen Porsche-Sitze sind Ia. Das Handschuhfach fiel dem Beifahrer-Airbag zum Opfer. Der Gepäckraum ist auf zwei etwa gleichgroße Abteile verteilt – ein tiefes vorne und ein flaches, vom Motor gut geheiztes, hinten.

Diesem wassergekühlten Sechszylinder-Motor haben die Akustiker etwas vom belebenden Gekreische des luftgekühlten Boxers mitgegeben, das Porsche-Nostalgikern sanftes Kribbeln im Nacken verursacht. Die Maschine wird munter und stark bei höheren Drehzahlen, Lasten bei niedrigen Touren zu ziehen, ist dagegen nicht ihr Fall. Dieser Charakteristik entsprechend sollte man beim Tiptronic-Getriebe die Schaltarbeit nicht der Automatik überlassen, sondern selbst in die Hand nehmen.

Vom problematischen Verhalten im Grenzbereich, das man Mittelmotor-Konzepten nachsagt, ist beim Boxster nichts zu spüren. Dagegen viel vom wesentlichen Vorzug dieser Motoranordnung, der Handlichkeit. Der Porsche-Roadster läßt sich mit direkter Lenkung und sensiblem Gas-Zügel exakt durch Kurven führen. Man hat stets guten Straßenkontakt und kann im Bedarfsfall auf überragende Bremskraft vertrauen. Die Federung ist straff, aber ausreichend komfortabel.

Die Technik:

MOTOR/GETRIEBE: Wassergekühlter Sechszylinder-Boxermotor längs vor der Hinterachse, vier Ventile pro Zylinder, 2480 cm³ Hubraum, 150 kW/204 PS bei 6000/min, maximales Drehmoment 245 Nm bei 4500/min, Euro-2; Fünfgang-Schalt- oder Tiptronic-S-Getriebe; Hinterradantrieb.

Einzelradaufhängung an Längs- und Querlenkern; Servolenkung; innenbelüftete Scheibenbremsen, ABS; Aluräder v/h 6Jx16/7Jx16, Reifen v/h 205/55 ZR 16/225/50 ZR 16 (auf unserem Testwagen: 7Jx17/8,5Jx17 und 205/50 ZR 17/255/40 ZR 17).

MASSE/GEWICHTE: Länge/Breite/Höhe 4,32/1,78/1,29 m, Radstand 2,42 m; Tiptronic-S: Leergewicht (mit Fahrer) 1375 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1610 kg; Kofferraumvolumen 260 l.

FAHRLEISTUNGEN: Tiptronic-S 0–100 km/h in 7,6 Sek., Vmax 235 km/h.

VERBRAUCH: Tiptronic-S EG-Norm innerstädtisch/außerstädtisch/gesamt 15,8/8,1/10,9 l/100 km, durchschnittlicher Testverbrauch 11,2 l Super plus/100 km; Tankinhalt 57 l.

PREIS: Porsche Boxster 76 500 Mark, mit Tiptronic-S 81 400 Mark.

VERSICHERUNGSKLASSEN: Haftpflicht 16, Teilkasko 35, Vollkasko 25.

 

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