Schwefelarmer Diesel schmiert auch die Pumpe

Entwarnung für Dieselfahrer. "Das Thema wurde aufgebläht", urteilt Mercedes-Pressesprecher Hans-Gerd Bode über die sensationelle Mutmaßung der Fachzeitschrift mot, knapp sechs Millioen Diesel-Pkw und rund 50 Millionen in Europa seien durch mangelnde Schmierfähigkeit von entschwefeltem Dieselkraftstoff bedroht. Eine Aussage, die mot inzwischen selbst relativiert.

Richtig ist, das bestätigt Dr. Ralf Leiter, bei der Lucas Kfz-Ausrüstung zuständig für den technischen Kundendienst, daß moderne Einspritzpumpen konstruktiv auf Schwefel als Schmierstoff ausgelegt sind. Richtig ist auch, daß dem schwefelarmen Dieselkraftstoff (spätestens seit 1. Oktober 1996 höchstens 0,05 statt bisher 0,2 Prozent Schwefelgehalt) Zusatzstoffe, sogenannte Additive, beigemischt werden müssen, die die erforderliche Schmierfähigkeit garantieren.

Und richtig ist, daß es für Dieselkraftstoffe die Norm DIN EN 590 gibt, die jedoch unverständlicherweise nichts über die Schmierfähigkeit aussagt. Dieses Versäumnis soll jetzt nachgeholt werden.

Daß es durch die Absenkung des Schwefelgehalts zu Problemen kommen kann, war nach die Einführung des fast schwefelfreien "City-Diesels" in Schweden bekanntgeworden. Dort hatte der extrem geringe Schmiermittelanteil vereinzelt zu Schäden an den Einspritzpumpen geführt. In Deutschland bestehe diese Gefahr jedoch nicht, urteilten übereinstimmend Pressesprecher von Audi ("Ausgiebige Tests mit handelsüblichem Markendiesel."), Mercedes-Benz ("Uns sind keine Schadensfälle bekannt.") sowie VW und Opel ("Markenkraftstoffe können ohne Bedenken getankt werden.").

Zu dieser positiven Aussage über die Dieselqualität in Deutschland kommt nun auch mot nach der Prüfung von 63 Stichproben. In sogenannten HFRR-Tests, die von der renommierten Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt in Dübendorf bei Zürich vorgenommen wurden, zeigte sich, "daß die auf dem deutschen Markt vertretenen Dieselanbieter das Problem im Griff haben". Daß heißt: Kein einzige der in geheimer Mission gezogenen Proben - darunter acht von freien Tankstellen - lag im Bereich mangelhafter Schmierung. Alle erfüllten die Anforderungen der Auto- und Einspritzpumpenhersteller. Ungeklärt freilich bleibt der von mot erhobene Vorwurf, wonach diese Schmierqualität nicht von Anfang an gewährleistet gewesen sei.

Kommt es zum Kollaps der Einspritzpumpe, kann das für den Autobesitzer teuer werden. Eine neue Pumpe schlägt samt Einbau mit bis zu 6000 Mark zu Buche. Es gehe jedoch keine Pumpe von heute auf morgen kaputt, sagt Lucas-Spezialist Dr. Leiter: "Bevor irreparable Schäden entstehen, treten zunächst Betriebsstörungen auf, wie Aussetzer beim Beschleunigen, unrunder Leerlauf, Leistungsmangel, erhöhter Verbrauch und schlechtere Emissionswerte." Bei entsprechenden Symptomen sollte man frühzeitig eine Werkstatt ansteuern, wo sich auf dem Prüfstand schnell zeigt, in welchem Zustand die Pumpe ist. WILFRIED HIERSE

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© Nürnberger Nachrichten 1996