Von seltener Offenheit

Er ist die wildeste Versuchung seit es Roadster gibt, der auffälligste offene Zweisitzer der Saison und das unvernünftigste Oben-ohne-Auto zwischen Hammerfest und Ragusa. Der Renault Sport Spider ist ein Rennwagen, der auf die Straße abgekommen ist und dort – vorausgesetzt das Wetter paßt – unvergleichlichen Fahrspaß macht. Exklusiven dazu, was weniger an seinem Preis von 55 300 Mark, als an der knappen Tagesproduktion liegt.

Ursprünglich war das gelb-graue Spielmobil nur mit einem Wind- respektive Fliegenabweiser vorgesehen. Nun baut Renault eine zweite Version mit Windschutzscheibe und Windabweiser, die vorne in die nach oben aufschwenkenden Türen eingesteckt werden. Alles ist auf ein Minimum beschränkt: Kein Verdeck, sondern nur eine Innenraumabdeckung, ein dicker Überrollbügel, zwei Schalensitze und drei schlichte Rundinstrumente hinter dem Lederlenkrad (Geschwindigkeit und Tankinhalt werden irgendwo in der Mitte angezeigt). Heizung? – dafür sorgt auf direktem Weg der Motor hinter den Sitzen. Lüftung? – ohnehin weit mehr als sich kanalisieren ließe! Radio? – hätte keine Chance gegen die Geräuschkulisse.

Der Unterbau – ein Gitterrohrrahmen aus verschweißten Aluprofilen – ist im Innenraum teilweise zu besichtigen, darüber sitzt eine Karosserie aus Verbundwerkstoffen. Das Fahrwerk kommt direkt aus der Formel 1. Mit seinen 205/50- (vorne) und 225/50-Walzen klebt der Sport Spider in Kurven buchstäblich auf der Straße. Neben einer gewissen Sturmerprobung verlangt er Muskelschmalz beim Fahrer, denn die direkte Lenkung und die Bremsen (ohne ABS) arbeiten ohne Servounterstützung. Auch die übrige Pedalarbeit geht in die Beine. Der von sattem metallischem Klacken begleitete Gangwechsel ist noch die leichteste Übung. Weil sich der Zweiliter-Motor (108 kW/147 PS) vor der Hinterachse hemmungslos auf Touren brüllt, neigt man dazu, die Fahrleistungen überzubewerten: 0-100 km/h in 7 Sek., Vmax 215 km/h.

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