Mängel verzögern Starttemine

Hoher Qualitätsanspruch und beinharter Wettbewerb zwingen vor allem renommierte Autohersteller dazu, eher einen Markteinführungstermin zu verschieben, als imageschädigende Nachbesserungen oder gar Rückrufaktionen zu riskieren. Von "Kinderkrankheiten" aktuell betroffen sind die Großraumlimousinen von Chevrolet/Opel und Mercedes, aber auch der VW Passat rollt langsamer als erwartet von den Bändern.

Als Opel Anfang September den neuen Minivan Sintra im Heimatland USA zum ersten Probelauf vom Stapel ließ, offenbarte die Gemeinschaftsentwicklung mit dem Mutterkonzern General Motors (GM) Schwächen. Von Klappergeräuschen der Karosserie über bescheidenen Abrollkomfort bis zum nachgiebigen Dachhimmel und lieblos angebrachten Blenden im Innenraum reichte die Liste der von Motorjournalisten erkannten Mängel. Als jetzt auch noch das amerikanische Schwestermodell, der TransSport von Chevrolet, bei einem US-Crashtest verheerend abschnitt, entschieden sich die Opel-Manager, den Deutschland-Start des US-Imports Sintra um ein halbes Jahr auf März '97 zu verschieben.

Offiziell heißt es: "Der ursprüngliche Plan, den Sintra ab November über ausgewählte Händler zu vertreiben, ist zugunsten eines Vertriebs durch alle Opel-Vertragshändler erweitert worden." Das mag so sein, doch vorrangig gilt es, im GM-Werk Doraville bei Atlanta die vordringlichsten Qualitätsprobleme zu beseitigen. Angesichts der unterschiedlichen Qualitätsansprüche zwischen USA und Europa, ist das ohnehin kein leichtes Unterfangen.

Für Opel ist es wichtig, auf diesem Gebiet keine Kompromisse einzugehen, denn die Rüsselsheimer hatten in der jüngeren Vergangenheit ausreichend unfreiwillige Schlagzeilen. Zum Beispiel wegen der Brandgefahr durch fehlerhafte Isolierungen am Tankeinfüllstutzen des Astra oder mangelhafte Gurtbefestigungen beim Vectra. Und auch am neuen Vierventiler-Dieseldirekteinspritzer muß nachgebessert werden. Das lange erwartete Sparwunder läßt erheblich Laufkultur vermissen. Damit der neue Astra, immerhin härtester Widersacher des Marktführers VW Golf, einen tadellosen Start hinlegen kann, wurde die Markteinführung von Herbst '97 auf Frühjahr '98 verschoben.

Doch nicht nur General Motors hat Qualitätsprobleme, auch die deutsche Renommiermarke Mercedes-Benz lieferte bisher mit der neuen V-Klasse, dem Van-Ableger des Transporters Vito, kein Meisterstück ab. Ähnlich wie in der Sintra/TransSport-Fabrik in den USA läßt im spanischen Mercedes-Werk in Vitoria die Verarbeitungsqualität erheblich zu wünschen übrig, weshalb - so ein internes Papier - "der Ausstoß drastisch zurückgefahren wurde". Mercedes will überdies die Zeit bis zur "endgültigen" Markteinführung im März nutzen, bei ersten Testfahrten aufgefallene Schwachpunkte zu beseitigen.

Daß Anlaufschwierigkeiten nicht immer auf ausländische Produktionsstätten zurückzuführen sind, zeigt das Beispiel Passat, denn im VW-Werk Emden läuft's nicht nach Plan. Obwohl bereits 50 000 Bestellungen vorliegen, wurden erst gut 12 000 Passat-Limousinen ausgeliefert. Daß die Anlaufkurve noch nicht einmal die Hälfte der vorgesehenen 1150 Einheiten pro Tag erreicht hat, liegt nach Informationen der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung an Schwierigkeiten mit dem Werkzeug im Rohbau und mit dem Lack sowie an erheblichen Qualitätsmängeln. VW-Chef Piëch hat deshalb die Produktion in Emden drosseln lassen und die Auslieferung des Passat Variant von Januar '97 auf Ende April '97 verschoben. han/wh

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© Nürnberger Nachrichten 1996