Kometen sind wie Katzen
Hale-Bopp als Geisterfahrer im Sonnensystem

Von Rudolf Merget, dpa

In vielen Jahrhunderten haben Nachrichten über das bevorstehende Jüngste Gericht und Selbstmorde das Herannahen von Kometen aus der Tiefe des Alls begleitet. Bei dem vorletzten Auftritt des legendären Halleyschen Kometen im Jahre 1910 hat es neben Todesängsten vor dem die Erde streifenden giftigen Schweif aber auch Amüsantes wie Kometenparties, Sternenguckertreffen, Kometenmusik und sogar eine neue Kometenmode gegeben.

"Noch nie habe ich die Menschen in solcher Aufregung gesehen wie zur Zeit des Kometen", beschrieb der damals fünfjährige Schriftsteller Elas Canetti (1905- 1994) in seiner Autobiographie die Wirkung dieses Paradekometen auf die Menschheit.

Daß Hale-Bopp ein Super-Schweifstern sein soll und daß alles mit natürlichen Dingen zugeht, versuchen die Medien seit Monaten über den Neuankömmling unter den Himmelsvagabunden zu vermitteln. Als er am 23. Juli 1995 von zwei amerikanischen Kometenjägern mit Namen Alan Hale und Thomas Bopp beinahe gleichzeitig jenseits der Jupiterbahn in einer Entfernung von weniger als einer Milliarde Kilometer entdeckt wurde, hatte seine Leuchtkraft - tausendmal heller als der Halley in gleicher Distanz - sofort die Astronomen weltweit alarmiert.

Allerdings blieben die Wissenschaftler aus mancher früheren Erfahrung etwas zurückhaltend mit der Prophezeiung seiner Erscheinung in Erdnähe: Vorsichtige Experten wollten seine Erscheinung in dem Bereich eines hellen Sterns sehen, andere meinten, daß sein Schweif nach günstigsten Schätzungen 15 Grad des Himmels bedecken würde. Streckt man die Hand armlang aus, so sollte deren Breite ungefähr diese 15 Grad abdecken.

Kometen sind Erinnerungen an die Vergangenheit unserer Erde: Überreste aus den Geburtswehen unseres Sonnensystems. Ihre Herkunft hat der niederländische Astronom Jan H. Oort in einer nach ihm benannten Wolke angenommen, die in der 10 000fachen Entfernung der Erde von der Sonne angesiedelt ist. Nach neuerer Forschung kommt als Herkunftsort außerdem der Kuipergürtel - nach dem niederländisch- amerikanischen Astronomen Gerard P. Kuiper - zwischen Plutobahn und der Oortschen Wolke in Frage.

Von dort soll auch der Newcomer Hale-Bopp auf einer langen elliptischen Bahn mit einem Sonnenumlauf von etwa 3 000 Jahren kommen. Wenn diese Rechnung stimmt, dann hat uns Hale-Bopp das letzte Mal besucht, als der griechische Stamm der Dorier die mykenische Kultur vernichtete, David gerade die Philister besiegte und die Eisenzeit an ihrem Anfang stand.

Nach der klassischen Erläuterung des amerikanischen Kometenexperten Fred Whipple sind Kometen schmutzige Schneebälle mit einigen überraschenden Chemikalien wie Wasserstoff- und Methylzianid. Für die Astronomen sind sie Lebensspender und Lebensvernichter zugleich. Für die eine Annahme spricht die These, daß die Schweifsterne die ursprünglichen Transporteure von Wasser zu den Planeten gewesen sind. Und ein Komet ist denn auch die bisher einzige Erklärung für den vergangenes Jahr in einem Krater am Mondsüdpol gefundenen Eissee. Ohne Wasser kann es kein Leben geben.

Die Kehrseite der Medaille aber ist, daß sie nach einer zunehmend anerkannten Theorie die Evolution unterbrechen und umkehren können. In den letzten 600 Millionen Jahren hat es fünf größere und dramatische Vernichtungswellen auf unserem Globus gegeben.

Die letzte vor 65 Millionen Jahren am Ende der Kreidezeit wird mit dem Einschlag eines großen Kometen beziehungsweise Asteroiden in Zusammenhang gebracht, der in einer monatelangen spokalyptischen Mischung vom Himmel fallenden Feuers, hoher Flutwellen und anhaltender Sonnenfinsternis Ungemach über die Erde brachte. Außer den Dinosauriern machte die Katastrophe 70 Prozent aller Lebewesen den Garaus.

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