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Heilung meist möglich Früherkennung ist bei Mundhöhlenkrebs entscheidend - Alkohol und Rauchen sind die wichtigsten Risikofaktoren VON DIETER SCHWAB Manche Krebsarten könnten eigentlich längst ihren Schrecken verloren haben. Denn wenn die Wucherung gut sichtbar ist, genügen etwas eigene Aufmerksamkeit und der geschulte Blick eines Arztes, um die Diagnose im Frühstadium zu stellen; dann ist Heilung praktisch in jedem Fall zu erwarten. Das gilt zum Beispiel für bösartige Erkrankungen der Haut - hier beginnen die alljährlichen Aufklärungen langsam zu greifen. Das gilt aber auch für eine viel weniger bekannte Erkrankungsform, das Karzinom der Mundhöhle. Bescheiden "Die Heilungsraten sind im großen und ganzen bescheiden", grämt sich jedoch Professor Michael Herzog vom Klinikum rechts der Isar in München, "sie liegen nach fünf Jahren bei gut 40 Prozent." Das könnte ganz anders sein: Wenn die Geschwulst bei einer Größe von fünf Millimetern erkannt wird, verspricht die Behandlung immer Erfolg. Und selbst wenn sie schon auf stattliche zwei Zentimeter herangewachsen ist, liegt die Heilungsrate zwischen 80 und 90 Prozent. Doch: Es hapert an der Früherkennung. So haben viele der Tumorpatienten bis zu zehn Jahre vor Ausbruch der Erkrankung ein Vorstadium des Leidens in der Mundschleimhaut, einen weißlichen, nicht abwischbaren Herd. Ein Laser könnte ihm schnell den Garaus machen und das Karzinom verhindern. Bloß passieren tut das ziemlich selten. Die regelmäßige Kontrolle von Gaumen, Zunge und Wangen gehört zu den Pflichten des Zahnarztes, der bei der halbjährlichen Routine-Inspektion nicht nur nach Karies zu fahnden hat. Doch der kann die Mundhöhle natürlich nur in Augenschein nehmen, wenn der Patient auch regelmäßig auftaucht. Daß der eine oder andere Kollege in der Klinik den Kollegen in der Praxis hinter vorgehaltener Hand Mangel an Aufmerksamkeit vorwirft, ist allerdings Realität. Die andere Seite: Zu den wichtigsten Risikofaktoren für das Mundhöhlenkarzinom gehören Rauchen, starker Alkoholkonsum und mangelnde Mundpflege. Wer mit seiner Gesundheit so Schindluder treibt, weiß Michael Herzog, nimmt es oft auch mit den fälligen Zahnarztbesuchen nicht so genau. Steigende Tendenz So kommt es zu 10 000 Neuerkrankungen im Jahr, so Dr. Hans-Florian Zeilhofer von der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Technischen Universität in München. Die Kurve schnellt zudem stark nach oben: Seit 1952 hat sich das Erkrankungsrisiko versechsfacht, die Patienten werden zudem immer jünger. Das Durchschnittsalter liegt jetzt bei 57 Jahren bei Männern und 63 Jahren bei Frauen. Weil die Kranken so spät in die Klinik kommen, sind die Eingriffe entsprechend aufwendig: "Alles, was unter zehn Stunden Dauer liegt, ist gut", seufzt der Anästhesist Professor Hans-Joachim Schneck vom Klinikum rechts der Isar. Denn dann müssen nicht nur Weichteile entfernt, sondern eventuell auch Knochen operiert und die Lymphknoten im Halsbereich ausgeräumt werden. Wenn alles gutgegangen ist, kann der Mundbereich nach anderthalb Jahren wieder rekonstruiert werden - mit Zahnimplantaten aus Titan und Knochenstücken aus dem Becken. Das Fazit der Münchener Mediziner: Wer schon raucht oder trinkt, der sollte wenigstens regelmäßig Zähneputzen und zum Zahnarzt gehen. Alle Entzündungen im Mund, die nicht nach spätestens zehn Tagen abgeheilt sind, muß ein Spezialist, in aller Regel ein Mund-Kiefer-Chirurg, überprüfen. Ein kleines Geschwür unter der Zunge, oft als unwichtig abgetan, kann schon ein Hinweis auf ein entstehendes Karzinom sein. Und auch ein kleiner Herd unter einer Prothese, leicht mit einer Entzündung zu verwechseln, gehört kontrolliert. Wie eng die Entstehehung von Mundhöhlenkarzinom mit Alkoholmißbrauch verknüpft ist, merkt Hans-Joachim Schneck regelmäßig nach der Operation: Bei manchem Patienten treten Entzugssymptome auf, die nach einer so schweren Operation nicht zu gebrauchen sind. Solche Patienten bleiben deshalb regelmäßig eine Woche auf der Intensivstation, wo sie in einer leichten Narkose ihre Entwöhnung regelrecht verschlafen. |
© Nürnberger Nachrichten 1996 |
