Naturwissenschaftler sind der
Heiterkeit auf den Spuren Lachen als sozialer Leim Sicher ist jetzt eines: der menschliche Sinn für Unsinn hat Methode VON KLAUS WILHELM Urplötzlich kann es losbrechen. Menschen blasen ihre Backen auf zu kleinen Ballons, Augen werden groß und tränen, Körper schwanken, zucken und krümmen sich, die Hände schlagen auf die Oberschenkel. Und laut schallt es Hahaha, hohoho, hihihi. Kein Zweifel: Das ist Lachen. Bei der Erkundung des uns wohlvertrauten Phänomens gehen die Spezialisten ernst zur Sache. In Amerika werden Testaffen systematisch durchgekitzelt, ein Psychologe besucht als Partyschreck Festivitäten und fordert die Gäste auf: Lach'mal. Und in Berlin traktiert der Verhaltensbiologe Dietmar Todt Menschen mit Lachsalven aus dem Computer. Spaßvögel Zwar überlassen diese Naturwissenschaftler Comedy und Witze lieber professionellen Spaßvögeln. Dafür vermessen sie das Lachen ganz akkurat, zählen und katalogisieren. Nun wissen wir mehr: Der Unsinn hat Methode, und Charles Darwin, immerhin einer der einflußreichsten Naturforscher überhaupt, hat unrecht: Mit dem Ausdruck bloßer Freude oder reinen Glücks haben die etwa achtzehn krampfartigen Zuckungen des Zwerchfells sowie Kontraktionen der meisten Gesichtsmuskeln, wie es ein Professor der Harvard-Universität 1901 beschrieb, meist nichts zu tun. Darwin war wohl entgangen, daß das flüchtige Spiel der Gesichtsmuskeln kaum als untrüglicher Spiegel einer heiteren Seele taugt, viel eher der vielköpfigen Hydra gleicht. Man kennt das echte und natürliche Lachen, das dumme, das grobe, das polternde und meckernde. Menschen lachen unterwürfig, hochfahrend, arrogant, bedrohend und aus Schadenfreude. Eines allerdings steht jetzt fest: Lachen ist eine Art frühgeschichtliche Aggressionsbremse und ein sozialer Klebstoff. Und was so leicht daherkommt, folgt strengen Gesetzen. Dietmar Todt beispielsweise manipulierte das Lachen mit dem Computer und variierte den Verlauf der Tonhöhe, die Lautstärke und Dauer der Salven. Erstes Ergebnis: Damit ein Lacher zum sozialen Erfolg wird, muß einerseits seine Melodie in möglichst unregelmäßigen Variationen wiederholt werden, bei denen sich Rhythmus und Tonhöhe abwandeln. Auch Robert Provine von der Uni versität von Maryland in Baltimore (USA) zog harte Fakten aus den netten Gesten: Eine Lach-Einheit, ermittelte der Psychologe, besteht aus einem Trommelfeuer vokalähnlicher Noten, jede etwa 75 Millisekunden lang, getrennt durch etwa 200 Millisekunden lange Pausen. Nur ein Vokal dominiert: ha-ha-ha oder ho-ho-ho oder hi-hi-hi, aber eben nicht ha-ho-ha-ho. Um dem Geheimnis des Phänomens nachzuspüren, trieb sich der ausgewiesene Lachexperte aus pur wissenschaftlicher Raison jahrelang auf Partys und öffentlichen Plätzen herum. Dabei hörte er mehr als 1200 Lacher ab. Ernüchterndes Fazit: Nur etwa ein Fünftel wurde durch ein organisiertes Bemühen um Humor eine Pointe angestachelt. Zu 80 Prozent brachten unspektakuläre Äußerungen in Unterhaltungen die Lachmuskulatur in Schwung, beispielsweise schau, da ist Sonja oder schön, Sie zu sehen. Derlei Bemerkungen vermitteln eher einen Hauch positiver Verbundenheit als einen Sinn für Komik. Provine bezeichnet Lachen als sozialen Leim, der die Stimmung in einer Gruppe beeinflußt, gar steuert. Ein Rückkopplungsmechanismus Lachen-Bindung-Lachen-stärkere Bindung, kombiniert mit dem tief menschlichen Begehren, nicht aus einer Gruppe verstoßen zu werden, könnte erklären, warum Lachen so ansteckend ist. Irgendwo in der gewöhnlich gut organisierten grauen Hirnmasse muß ein Lachdetektor verborgen sein, der auf die typische Akustik anspringt. Den Ursprung dieses echten, ansteckenden Lachens vermuten die Fachleute im Reich der Tiere. Und wie so häufig, wenn der Mensch etwas über den Menschen wissen will, wendet er sich dem Affen zu. Tatsächlich grienen auch unsere nächsten Verwandten, die großen Menschenaffen. Doch während dem Menschen allein der Anblick fliegender Torten fürs Vergnügen reicht, lachen die großen Affen fast nur bei spielerischem körperlichem Kontakt wenn gekämpft wird oder gejagt oder gekitzelt. Markanterweise beobachten Wissenschaftler bei diesem Balgen die hechelnden Laute stets kombiniert mit einem Spielgesicht. Daraus könnte sich im Laufe der Evolution das echte, ansteckende Lachen der Menschen als Ausdruck guter Gefühle entwickelt haben. |
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