Die Nobelpreisträgertagung in Lindau
beschäftigte sich mit scheinbar einfachen Fragen Warum ist die Quantenmechanik eigentlich so schwierig? Der Traum von einer einheitlichen Physik ist noch nicht Wirklichkeit Atomwaffen abschaffen VON DIETER SCHWAB Die scheinbar einfachen Fragen sind es, die am meisten Kopfzerbrechen machen: Warum zahlen vergleichsweise wenige Leute ehrlich ihre Steuern, wo doch zumindest theoretisch die Sätze drastisch sinken müßten, wenn keiner mogelt? Warum gibt es im Osten und im Westen noch jede Menge teure Atomwaffen, auch wenn der kalte Krieg längst vorüber ist? Und warum ist die Quantenmechanik so kompliziert, obwohl sie, wäre sie bloß einfacher, viel mehr Menschen verstehen würden? Darauf eine Antwort zu finden ist eine Aufgabe, eines Nobelpreisträgers würdig und auch die kommen, uns Normalsterblichen zum Troste, nicht immer zu einem befriedigenden Ergebnis. So war es jedenfalls bei der 47. Tagung der Nobelpreisträger in Lindau, wo diese Themen im Mittelpunkt standen. Neuer Ansatz Einen neuen Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens hat Professor Reinhard Selten aus Bonn entworfen, der in den Wirtschaftswissenschaften unter dem etwas irreführenden Namen Spieltheorie firmiert. Er sucht die Gründe weder in den Genen wie die Biologie noch in frühkindlichen Erlebnissen wie die Psychologie, sondern rechnet Wahrscheinlichkeiten aus: Menschen streben nach Eigennutz, und je problemloser sie den erreichen, desto eher verfolgen sie eine entsprechende Strategie ohne Rücksicht auf den Schaden, den sie bei anderen anrichten. In der Konsequenz heißt das:
Vernünftiges Verhalten zu erwarten ist so lange
äußerst problematisch, solange Abweichler mehr
profitieren als die Ehrlichen. Und so löst sich die
Frage nach der Steuergerechtigkeit auf, die Selten zwar
nicht nannte, auf die sich seine Theorie leicht
übertragen läßt: Wer gegenüber dem Finanzamt ein
bißchen schummelt, hat mehr Vorteile zu erwarten als der
Korrekte. Und ob, selbst ideales Verhalten aller zu
Verbesserungen führen würde, ist dank Theo Waigel mehr
als fraglich Um Schummeleien und mögliche Vorteile
geht es auch Jack Steinberger; der Nobelpreisträger des
Jahres 1988 stammt übrigens aus Bad Kissingen und mußte
während des Krieges in die USA fliehen. Er arbeitete in
den vierziger Jahren mit Edward Teller und J. Denn das Demontieren der Waffen ist
technisch kein Problem und auch noch billiger als die
weitere Pflege; auch wenn die Zahl der Waffensysteme auf
amerikanischer und russischer Seite nach 1990 drastisch
gesunken ist, verfügen die USA immer noch über etwa 200
die Hälfte übrigens, so Steinberger, in der
Bundesrepublik stationiert. Und so appellierte er an sein
Heimatland, sich zur atomwaffenfreien Zone zu erklären.
Freilich, zum Problem in diesem Appell wird die
Überprüfung einer eventuell geschlossenen Vereinbarung
zur Abrüstung: Da kommt dann Seltens Theorie wieder ins
Spiel, wonach vernünftiges Handeln schwierig wird, wenn
Mogler am Schluß profitieren Willis Lamb, mittlerweile 84jähriger Nobelpreisträger des Jahres 1955, träumt einen anderen Traum: Er will die beiden grundlegenden Theorien der Physik, die klassische Mechanik und ihre quantenmechanische Entsprechung zueinander führen. Newtons klassische Gesetze beschreiben Bewegungen von Gegenständen, beispielsweise den Fall eines Apfels, und sind meist leidlich nachvollziehbar. Quantenmechanik setzt sich damit auseinander, jene Teilchen Atome, Moleküle oder Elementarteilchen zu berechnen, aus denen sich die Welt im Innersten zusammensetzt. Und die ist für Normalsterbliche reichlich verwirrend und sogar unsinnig, wie das Paradoxon von Schrödingersche Katze zeigt: Sie nämlich, nach einem herausragenden Physiker benannt, ist vor dem Beobachter versteckt. Nach den Regeln der Quantenmechanik muß sie nun zugleich als tot oder lebendig und eventuell verschwunden gelten, solange ihr Geheimnis nicht gelüftet ist. Die Bewegung der unsichtbaren Teilchen läßt sich auch mit Newtons simplen Gesetzen beschreiben, wenn nur Schrödingers Gleichung integriert wird, die Wellenbewegungen beschreibt. Eine superklassische Quantenmechanik soll am Ende der Arbeit stehen, und uns einen großen Teil der Qualen sparen, die uns unnützerweise mit Paradoxa wie dem von Schrödingers Katze gemacht wurden. Noch ist Willis Lamb nicht am Ziel.
Aber wenn er es schafft, werden ihm unzählige Schüler
und Studenten danken |
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