Hochleistungssport: Die
Folgen der Fron
Wegen der extremen körperlichen Belastung sind Probleme mit dem Rücken häufig - Muskeln gleichen Schäden an der Wirbelsäule aus

VON DIETER SCHWAB

Sie starten für Deutschland oder eine andere Nation, und sie tun es oft ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit: Wer es zum Beispiel als Wettkampfgymnastin zu Ruhm und Ehren bringen will, muß mit vier bis sechs Jahren mit der Fron anfangen. Die Belastung steigert sich mit den Jahren auf vier bis sechs Stunden Training am Tag.

90 Tonnen

Ähnlich ist es bei den Gewichthebern, die zwar später mit dem Leistungssport beginnen, aber dafür am Tag 70 oder 90 Tonnen stemmen müssen. Und wer als Radfahrer an die Spitze will, muß sich vom zwölften oder 16. Lebensjahr an bis zu sechs Stunden im Sattel schinden. Das kräftigt zwar Lunge und Kreislauf ganz außerordentlich, verlangt aber einen höchst ungesunden Rundrücken, um die nötige Windschlüpfrigkeit zu erreichen.

Das alles kann nicht nur gesund sein, dachte sich der Orthopäde Dr. Albert Güßbacher. Lange hatte er den Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in seinem Fachgebiet betreut und dabei Spitzensportler wie Steffi Graf oder Michael Schumacher behandelt. Oder den Hürdensprinter Florian Schwarthoff und den vor wenigen Wochen zurückgetretenen Gewichtheber Manfred Nerlinger. Diese Arbeit setzt er jetzt unter anderem am neugeschaffenen Zentrum für Bewegungs- und Sportmedizin der Fürther Euro-Med-Clinic fort.

Sein Verdacht bestätigte sich: „Wir fanden gravierende nachweisbare Veränderungen“, faßt er zusammen, die die körperliche Belastung an der Grenze des körperlichen Limits hinterließ. „Sie sind manchmal so gravierend, daß wir mit dem Kopf schütteln, wie unter diesen Umständen Leistungssport auf Weltklasseniveau noch möglich ist.“

Fünfmal krankhafte Diagnose

Spaltbildungen im Zwischengelenkstück des Wirbelbogens des Rückgrats oder Verdichtungen von Wirbeln sowie Grundplatten mußte er bei sieben untersuchten Gewichthebern gleich zehnmal diagnostizieren. Bei zehn Wettkampfgymnastinnen kam er immerhin fünfmal zu einer krankhaften Diagnose. Ähnliche Zahlenverhältnisse fand er bei den Radrennfahrern oder auch bei Ringern vor.

Das Erstaunlichste: „Diese Ergebnisse bedeuten nicht automatisch Krankheit und Schmerz“, so Albert Güßbacher, „obwohl Normalbürger mit solchen Befunden erfolgreich Rentenanträge stellen.“ Spitzensportler profitieren dabei wohl von ihren außergewöhnlichen Muskeln im Rückenbereich: Die stützen und stabilisieren die geschundene Wirbelsäule so stark, daß die Beschwerden ausbleiben.

Was bei Spitzensportlern möglich ist, muß auch bei Otto Normalpatient funktionieren: Wenn die Wirbelsäule angeknackst ist, sollte zur üblichen Behandlung gezieltes Muskeltraining durch Krankengymnastik kommen, wobei im schmerzfreien Bereich gearbeitet werden muß. Dann wird sich oft eine Kompensation des Leidens wie auch bei Spitzensportlern einstellen.

Bei denen mögen zwar die Folgen der Fron in den Jahren der Wettkämpfe ausbleiben, aber wenn sich nach der aktiven Zeit die Muskulatur zurückbildet, dürften sich schmerzhafte Probleme einstellen. Der einzige Ausweg, den Albert Güßbacher sieht: „Ehemalige Athleten sind verdammt, ein vernünftiges Leben zu führen.“ Oder anders: Sie müssen als Preis für den Ruhm der frühen Lebensjahre ein Leben lang mit Training dafür sorgen, daß genügend Muskelmasse die mitgenommene Wirbelsäule stabilisiert.

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