Der geplante Start der Cassini-Sonde in der nächsten Woche löst heftige Proteste aus
Langer Flug zum Saturn mit Plutonium
Chaotisch anmutender Kurs zu ferner Welt – Suche nach Ozeanen aus Methan – Donner vermutet

VON RAINER KAYSER

Die amerikanisch-europäische Sonde Cassini/Huygens startet zu einer sieben Jahre währenden Reise in die Tiefen des Alls. Ihr Ziel: Saturn, der sechste – und mit seinem prachtvollen Ringsystem wohl schönste – Planet unserer Sonne.

Der Flug gleicht einem kosmischen Billardspiel: Gleich zweimal, im April 1998 und im Juni 1999, holt die Sonde im Schwerkrafttrichter der Venus Schwung, im August 1999 nutzt sie die Gravitation der Erde zur weiteren Beschleunigung, und Ende 2000 schließlich gibt der Riesenplanet Jupiter Cassini/Huygens den finalen Kick.

Mit Sorge

Doch während die Planetenforscher dem Start von Cassini/Huygens entgegenfiebern, sehen Kritiker dem Ereignis mit Sorge entgegen – in der Bundesrepublik gab es bereits eine Reihe von Demonstrationen. Der Grund: Die Sonde enthält 32,8 Kilogramm Plutoniumdioxid zur Energieerzeugung. Sonnenenergie ist keine Alternative bei einem Flug zu den äußeren Planeten – bei der großen Entfernung von der Sonne benötigte man Kollektoren von der Größe mehrerer Tennisfelder.

Plutonium ist jedoch hochgiftig, eingeatmet kann es schon in geringsten Mengen Lungenkrebs auslösen. Die Nasa versichert zwar, selbst bei einer Explosion der Trägerrakete beim Start würde kein Plutonium freigesetzt. Mehr als ein solches Unglück fürchten die Cassini-Gegner jedoch einen Fehler beim Vorbeiflug der Sonde an der Erde. Bei einem unkontrollierten Wiedereintritt des Raumfahrzeugs in die Atmosphäre würde das Plutonium über den ganzen Erdball herabsinken.

Nasa-Experten halten dagegen, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalls sei geringer als 1:1 000 000, da die Flugbahn der Sonde zu keinem Zeitpunkt direkt auf die Erde ziele.

Statt Saturn auf einer schlichten Ellipsenbahn zu umrunden, wird Cassini die ferne Welt auf einem chaotisch anmutenden Kurs umfliegen, der mal über den Äquator, mal über die Pole des Planeten führt und darüber hinaus Gelegenheit zu Rendezvous mit möglichst vielen der 18 bekannten Monde des Saturn bietet. Durch gezielte Vorübergänge am größten Saturnmond Titan, der mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern halb so groß ist wie die Erde, läßt sich die Flugbahn in der gewünschten Weise „hinbiegen“.

Titan-Passage

Bei der ersten Titan-Passage im November 2004 teilt sich die Sonde: Während der amerikanische Cassini-Orbiter weiter seine Schleifen um den Saturn zieht, dringt die in Europa entwickelte und gebaute Landekapsel Huygens in die von einem orangenen Dunstschleier verhüllte Atmosphäre des geheimnisvollen Mondes ein.

Titan ist der einzige Mond im Sonnensystem, der eine Lufthülle besitzt – eine Lufthülle, die in ihrer Zusammensetzung, überwiegend Stickstoff und Methan, jener der frühen Erde ähnelt. Aus dem Methan entstehen in chemischen Kettenreaktionen komplexe organische Kohlenwasserstoff-Verbindungen. Diese Substanzen sind es auch, die den undurchdringlichen Schleier bilden, der jeden Blick auf Titans Oberfläche verwehrt.

Unter dem Dunstschleier vermuten die Planetenforscher gewaltige Ozeane aus flüssigem Methan und Äthan. Der Luftdruck an der Oberfläche beträgt das Anderthalbfache des irdischen Wertes, die Temperatur liegt bei eisigen minus 180 Grad Celsius. Trotz reichlich vorhandener organischer Stoffe – derselben Stoffe, die in der irdischen Ursuppe vorhanden waren – alles andere also als ideale Bedingungen für die Entstehung von Leben.

Noch weiß niemand, wie die Bedingungen auf Titan in früheren Zeitaltern waren. Auch darauf wird vielleicht die Huygens-Kapsel Antworten finden, wenn sie am 27. November 2004 an Fallschirmen über die bizarre Landschaft aus Äthanmeeren – gespickt vielleicht mit „Eisbergen“ aus festen organischen Substanzen – und von Methanregen gepeitschen Gebirgen herabschwebt.

Eine hochauflösende Kamera wird Panoramaaufnahmen der Titanoberfläche liefern, und verschiedene Meßinstrumente werden die chemische Zusammensetzung der Luft – insbesondere der organischen Partikel des undurchdringlichen Dunstes – und des Bodens untersuchen. Windgeschwindigkeiten, Luftdruck und Temperatur werden gemessen, elektrischen Entladungen wird nachgespürt, und ein Mikrofon dient gar der Aufzeichnung etwaigen Donnergrollens.

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