Das stimulierende Ecstasy spielt nicht die Hauptrolle
Drogen in der Techno-Szene
Die Verhaltensmuster werden aus dem Elternhaus übernommen

VON SUSANNE LIEDTKE

Epidemiologen registrieren schon seit einigen Jahren einen Trend weg von den betäubenden Drogen wie Heroin hin zu aktivierenden Substanzen wie Amphetaminen. Dazu gehört auch Ecstasy, das besonders mit der Technoszene in Verbindung gebracht wird. Dramatische Folgen wie Nierenversagen, bedrohliche Erhöhung der Körpertemperatur und Psychosen, die in Einzelfällen nach Einwurf einer der kleinen weißen Pillen auftreten können, haben den Stoff als gefährliche Partydroge in Verruf gebracht. Die gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über Ecstasy und seine Wirkung sind allerdings noch rar, warnte Rainer Thomasius von der Klinik Psychiatrie und Psychotherapie des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf während einer Fachtagung vor übereilten Urteilen. „Horrormeldungen helfen nichts“, urteilte Thomas. „Das haben wir beim Heroin gesehen. Es gibt Konsumenten, die sich vom Horror erst angezogen fühlen“. Ärzte und Wissenschaftler müßten „saubere Informationen liefern, und das geschieht leider viel zu wenig“.

Weiß und geruchlos

Hinter dem Szenenamen Ecstasy verbirgt sich die chemische Substand Methylendioxy-N-Methylamphetin, kurz MDMA. Sie ist chemisch mit den Amphetaminen verwandt, zu denen auch die Droge Speed gehört. Die Bezeichnung „Designer-Droge“ legt nahe, daß es sich bei Ecstasy um eine ganz neue Erfindung handelt, doch sie wurde schon 1898 zum ersten Mal hergestellt. Die Chemiefirma Merck meldete kurz vor dem Ersten Weltkrieg ein Patent auf das weiße, geruchlose Pulver an. Die Substanz geriet dann zunächst in Vergessenheit. Erst 1965 entdeckte sie der kalifornische Chemiker Alexander Shulgin wieder, als er ein Medikament zur Unterstützung der Psychotherapie suchte. Schon in den 70er Jahren nahmen Studenten und Hippies die bittere Substanz, die sie damals „Adam“, „Essence“ oder „Love“ nannten. Anfang der 80er Jahre setzte sich der Name Ecstasy durch.

Einige Vorurteile

Die Ergebnisse neuer Studien räumen mit einigen Vorurteilen auf: Tech noszene und Ecstasy gehören nicht unbedingt zusammen. Über zwei Drittel der Raver gaben an, kein Ecstasy zu nehmen, 45 Prozent nehmen gar keine illegalen Drogen. Das kam bei einer Untersuchung von Hans-Peter Tossmann heraus, der sich für die spi-Forschung GmbH in die Berliner Technoszene gestürzt hatte. Dagegen gaben fast 70 Prozent an, Erfahrungen mit Hasch oder Marihuana zu haben. Auch legale Drogen wie Alkohol und Zigaretten spielen auf den Partys eine viel größere Rolle als der Muntermacher Ecstasy.

Die Befürchung, daß „E“, wie Insider die Substanz kurz nennen, eine Einstiegsdroge sein könnte, konnten die Wissenschaftler mit ihren Untersuchungen nicht belegen. Die Jugendlichen probieren Ecstasy im Durchschnitt zum ersten Mal im Alter von 18 Jahren aus. 35 Prozent der Mädchen und 22 Prozent der Jungen haben aber bereits mit 14 Erfahrungen mit Cannabis und Alkohol gemacht. Das stellte Christoph Kröger vom Institut für Therapieforschung in München bei seiner Studie fest, in deren Rahmen er von März bis Juli 1997 rund 450 jugendliche Besucher von Technoveranstaltungen in Bayern befragte.

Kröger fand jedoch auch heraus, daß der Drogenkonsum in der Raverszene besonders hoch ist, nämlich etwa fünf bis zehn mal so hoch wie in der Normalbevölkerung. Übrigens kennen 70 Prozent der Technofans die womöglich schädlichen Auswirkungen von Ecstasy und befürchten körperliche oder seelische Auswirkungen. Vom Konsum hält sie dieses Wissen jedoch nicht ab – eine Erfahrung, die auch viele Drogenberater bestätigen können.

Der Jenaer Entwicklungspsychologe Rainer Silbereisen wies darauf hin, daß Kinder und Jugendliche oft mit ihrem Drogenkonsum nur das Verhalten der Eltern imitierten, die ihre Probleme nur allzu oft mit dem Griff zur Flasche und in den Medikamentenschrank zu lösen versuchten. „Wenn wir über Ecstasy reden, müssen wir Alkohol denken“, forderte der Wissenschaftler, „denn damit fängt alles an.“

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