Vulkane auf dem Jupiter-Mond Io
Die deutsch-amerikanische Sonde Galileo-Orbiter sendet seit vier Monaten Bilder
VON HOLGER HEUSELER

Als 1979 die beiden amerikanischen Planetensonden Voyager 1 und Voyager 2 am Riesenplaneten Jupiter vorbeiflogen, entdeckten sie auf seinem Mond Io eine einzigartige vulkanische Aktivität. Sie sahen acht aktive Vulkane, deren Fontänen einige hundert Kilometer in den Weltraum emporschossen.

Seitdem gilt Io, wenig größer als der Erdmond, als das vulkanisch aktivste Objekt in unserem Sonnensystem. David Morrison, Direktor der Raumfahrtabteilung des Ames Research Center der Nasa sowie Präsident der Planetenkommission der International Astronomical Union und Mitglied des Galileo-Kamerateams, sagte damals voraus: "Wir gehen davon aus, daß sich die Oberfläche verändert haben wird, wenn die Galileo-Sonde sie nach 17 Jahren erneut fotografiert."

Sonderling

Jetzt ist der vulkanische Sonderling wieder aus der Nähe im Visier. Seit dem 7. Dezember 1995 umkreist der amerikanisch-deutsche Raumspäher Galileo-Orbiter den Jupiter und sendet seit vier Monaten beeindruckende Bilder von den Oberflächen seiner vier großen, galileischen Monde Io, Ganymed, Europa und Kallisto zur Erde. Bis heute liegen fast 200 Nahaufnahmen vor; etwa 2800 weitere Bilder werden bis zum vorläufigen Abschluß der Mission im Dezember 1997 erwartet.

Die Vision des Planetologen Morrison bestätigt sich. Tatsächlich zeigt die Oberfläche des Vulkanmondes Io dramatische Veränderungen gegenüber dem Erscheinungsbild vor 17 Jahren.

"Dutzende Objekte mit Ausmaßen von Hunderten von Kilometern", urteilt Professor Gerhard Neukum, Direktor des Instituts für Planetenerkundung der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof, "sind deutlich anders als zu Voyager-Zeiten." Neukum, der als einziger europäischer Wissenschaftler Mitglied des Galileo-Kamerateams ist, weiter: "Es treten neue helle oder modifizierte helle Flächen hervor. Sie entstanden durch vulkanisches Ausgasen von Schwefel, das an der Oberfläche gefror. In der Umgebung des Vulkans Ra Patera beispielsweise wurden 40 000 Quadratkilometer, größer als die Fläche des Bundeslandes Brandenburg, mit neuen vulkanischen Ablagerungen bedeckt."

Eine völlig andere Welt vermitteln die bisher porträtierten Gebiete auf Ganymed. Der größte Jupitermond ist für Neukum "ein Klotz aus Eis mit bewegter Vergangenheit".

Ganymed entstand vor etwa 4,5 Milliarden Jahren gemeinsam mit den anderen Planeten und Monden des Sonnensystems. Aus Silikaten und leicht flüchtigen Elementen, vor allem Wasser, bildete sich ein silikatischer, wahrscheinlich mit Eisen angereicherter Kern, der zunächst von einem fast 1000 Kilometer tiefen Ozean umhüllt wurde. Bei einer Temperatur um minus 130 Grad Celsius begann die Wasseroberfläche zu gefrieren, und das Eis wuchs mehr und mehr in die Tiefe.

Handelte es sich anfangs noch um Eis im herkömmlichen Sinne, wie es auf irdischen Teichen, Seen und Flüssen schwimmt, so formte sich unter dem hohen Druck in der Tiefe immer "festeres" Eis mit Dichten bis zu 1,7 Gramm pro Kubikzentimeter. "Schon nach eineinhalb Milliarden Jahren", so Neukum, "bestand der Mondmantel aus Eis über Eis und Silikaten. Vermutlich ist der ehemalige Ozean heute ganz durchgefroren."

Aus der Verteilung der Einschlagskrater von Meteoriten auf Ganymed ist auf ein unterschiedliches Alter der Oberfläche zu schließen. Wahrscheinlich sind in den ersten 100 bis 500 Millionen Jahren, nachdem die Eiskruste Krater tragen konnte, rund 90 Prozent aller Einschlagskrater entstanden. Später ist ihre Entstehungsrate stark abgefallen.

Inzwischen konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Planetologen auf die seltsame Eiswelt des Jupitermondes Europa. Die ersten Bilddaten nähren Spekulationen über Leben im Jupitersystem . . .

Obwohl Europa hauptsächlich aus Silikatgestein besteht, ist seine Oberfläche - ähnlich wie bei Ganymed - ganz von Eis überzogen. Doch möglicherweise ist die Eiskruste nur einige bis hundert Kilometer dick und schwimmt auf einem relativ warmen, tiefen, globalen Wasserozean. Fernaufnahmen der Voyager-Sonden (sie sondierten den Mond nicht aus der Nähe) zeigen auf seiner Oberfläche ein Netzwerk feiner, geologisch einzigartiger Linien. So ist ein Ziel der Galileo-Mission, die geologischen Vorgänge auf Europa besser zu verstehen.

Die weitgehende Relief- und Kraterarmut großer Teile auf Europa läßt erahnen, daß seine Oberfläche in der Vergangenheit mehrfach verändert wurde. Dagegen sprechen die kraterbedeckten Gebiete für ein sehr altes, ungestörtes Terrain.

Ronald S. Greeley, Geologieprofessor an der Arizona State University und ebenfalls Mitglied des Galileo-Kamerateams, übt sich in Geduld und bringt die Frage nach Leben auf Europa auf folgenden Nenner: "Europa war schon lange ein Ziel auf der Suche nach außerirdischem Leben. Die Voraussetzungen dafür sind flüssiges Wasser, organische Substanzen und Wärme. Europa hat all dies. Wir wollen nach Nischen suchen, die für Leben günstig sind, wie etwa bewegliche Zonen unter der Oberfläche. Wir werden nach jüngeren Gebieten aus Eismatsch oder Eisströmen suchen. Je aktiver das Gebiet ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dort Leben zu finden."

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© Nürnberger Nachrichten 1996