Die Holzwirtschaft schärft ihr Gewissen In Finnland legt man heute großen Wert auf die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder VON Die weltweit tätige Enso-Gruppe hat zu Hause ein Problem. Obwohl das Unternehmen nur eines jener drei ist, die sich in Finnland die Herstellung von Papier, Holz- und Zellstoff teilen, gerät immer Enso in die Schußlinie von Umweltschützern. Deren Zorn richtete sich zunächst nur gegen die Methoden der finnischen Forst- und Papierindustrie, inzwischen aber hat sich das Problemgebiet nach Osten verlagert, ins benachbarte russische Karelien. Auch dort ist besonders Enso aktiv. Was das uns in Deutschland angeht? Das ist eine Frage, die sich auch die finnische Holzbranche stellt und die in der Karelischen Republik (einem leidlich autonomen Teilstaat der russischen Föderation) ebenfalls diskutiert wird. Doch es waren hauptsächlich deutsche Greenpeace-Aktivisten, die einen angeblichen Kahlschlag in den besonders schützenswerten karelischen Wäldern anprangerten. Außerdem ist Deutschland einer der
wichtigsten Abnehmer finnischer Holzprodukte wie
Zellstoff und Papier. Die Enso-Gruppe wiederum bezieht 20
Prozent des Rohstoffes Holz aus Rußland, ein
Viertel davon kommt aus Karelien. Allein das zu Enso gehörende Zellstoffwerk Enocell in Uimaharju (rund 500 Kilometer nordöstlich von Helsinki), das im vergangenen Jahr von überwiegend deutschen Greenpeace-Aktivisten blockiert worden war, bekommt täglich aus Rußland über 50 Ei senbahnwaggons mit Holz, das ebenso wie heimische Birken, Fichten und Kiefern zu Zellstoff verarbeitet wird. Enso macht insgesamt zehn Prozent
seines Umsatzes (1995 lag dieser bei neun Milliarden
Mark) mit Deutschland, und zu den wichtigsten Abnehmern
von Papier gehören namhafte Zeitschriftenverlage.
Zeitungen dagegen werden überwiegend auf
Recycling-Papier gedruckt (siehe Kasten). Weil auch die Enso-Abnehmer in die Kampagne einbezogen wurden und ohnehin auf das geschärfte Bewußtsein der Bundesbürger für den Wald (in Deutschland und anderswo) Rücksicht nehmen mußten, wurde der Druck auf das finnische Unternehmen immer größer, und Enso entschloß sich im letzten Herbst, für die von Greenpeace (ebenso wie von finnischen Umweltschützern und dem World Wide Fund for Nature, WWF) als besonders schützenswert ausgewiesenen karelischen Wälder im finnisch-russischen Grenzgebiet ein Moratorium zu erlassen. Bis Ende dieses Jahres soll von dort kein Holz mehr gekauft und ansonsten die Herkunft von russischem Holz generell nach ökologischen Kriterien überprüft werden. Beim Moratoriumswald handelt es sich im wesentlichen um einen zwei bis fünf Kilometer breiten Streifen an der Grenze, der von der früheren Sowjetunion zum Sperrgebiet erklärt wurde und der deshalb über 50 Jahre lang unberührt blieb ein Gesamtfläche etwa so groß wie Rheinland-Pfalz. Greenpeace hat früher von einem Urwald gesprochen, der hier herangewachsen sei. Das sorgte für Irritationen. Inzwischen ist von Old Growth die Rede, also von einem sehr alten, naturbelassenen Baumbestand. Greenpeace ist für ein generelles
striktes Nutzungsverbot. Claes von Ungern-Stenberg
dagegen, Direktor beim Finnischen Forstindustrieverband,
ist zwar ebenfalls für Schutzmaßnahmen, will aber nur
die wirklich alten Bestände erhalten, aber ansonsten die
wirtschaftliche Nutzung nicht grundsätzlich
ausschließen. Er nimmt für seine Landsleute (ein
Volk von Waldbesitzern) und die Karelier in
Anspruch, eine pragmatischere, weniger romantische
Einstellung zum Wald zu haben als die Deutschen. Die strikte Greenpeace-Haltung, so
Ungern-Stenberg, könne in Karelien keinen Beifall
finden, weil diese Gebiete nicht aus forstlichen, sondern
aus politischen Gründen entstanden sind. Doch sie
sind da, und wenn sie ökologisch und biologisch wertvoll
sind, dann verdienen sie weitestgehenden Schutz, ganz
gleich, wie sie entstanden sind. Den genauen
Wert wird nun eine gemischte Kommission
ermitteln, der Vertreter von Regierung und Industrie, von
WWF und dem nicht übertrieben kritischen, aber
einflußreichen Finnischen Naturschutzbund angehören
nicht aber Greenpeace-Mitglieder. Am Ende des
Jahres soll feststehen, welche Gebiete des karelischen
Waldes unter Schutz gestellt oder gar dem Weltkulturerbe
(nach Kriterien der Unesco) zugeordnet werden. Die
Bevölkerung der Karelischen Republik hat für solche
Diskussionen in der Tat derzeit wenig übrig.
Greenpeace-Shows helfen uns wenig, meint zwar
auch Valeri Varja, der Bürgermeister von Sortavala,
einer 38 Im neuen Forstgesetz, lobt auch Esko Jourtsano vom Finnischen Umweltschutzverband, werden nochmals strengere Maßstäbe gesetzt für die Bewirtschaftung der sogenannten borealen Wälder (der Wälder der arktischen Vegetationszone, wozu auch die Taiga gehört). Ein verbindliches System von Zertifizierungen soll sicherstellen, daß verarbeitetes Holz nur aus Beständen kommt, die der Nachhaltigkeit genügen (in Deutschland gibt es eine solch strenge Zertifizierung noch nicht). Schließlich haben auch die privaten
Waldbesitzer, von denen es in Finnland fast 500 Was Waldfreunde in unseren Breiten so schreckt, sind Kahlschläge. Früher waren sie in den finnischen und russischen Wäldern in großem Maßstab üblich, heute gibt es sie nur noch auf kleineren Flächen. Sie haben auch einen weniger abschreckenden Namen: Endhieb heißt es bei Enso, Waldverjüngung sagen Forstleute, weil bei so einem Endhieb noch tote Bäume stehen bleiben, in denen Käfer und anderes Kleingetier leben, und Samenbäume, die für einen natürlichen artenreichen Nachwuchs sorgen. Enso und überhaupt die Forstwirtschaft beschäftigen Umweltexperten, die dafür sorgen, daß der ökologische Aspekt verstärkt und auch in den Abnehmerländern bekannt wird. Eine unverzichtbare Strategie, denn, so weiß auch Umweltschützer Jourtsarno, in Finnland hat alles mit Wald zu tun, das ist unser Problem. |
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