Auf sämtlichen Kontinenten läßt die Qualität stetig nach
Weltweit zuwenig Wasser
Seit den sechziger Jahren stieg der Verbrauch überall massiv an

VON UTE SPRENGER

Angesichts der Wassermassen, die sich östlich von Berlin in Städte, Dörfer und auf Äcker ergossen haben, mag man kaum glauben, was ein Expertengremium in Bonn prognostizierte: Weltweit bahnt sich eine Wassernot an. Doch tatsächlich wird dieses Lebenselement zukünftig vor allem deshalb knapp werden, weil dessen Qualität stetig abnimmt – und das auf allen Kontinenten gleichermaßen.

„Wege zu einem nachhaltigen Umgang mit Süßwasser“ weist nun der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU) der Bonner Bundesregierung, die er seit dem Umweltgipfel in Rio 1992 in jährlichen Gutachten berät. Der interdisziplinäre Beirat mit Geschäftsstelle am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven besteht aus zwölf bundesweit arbeitenden Forscherinnen und Forschern aus Natur- und Geisteswissenschaften – darunter Meteorologen, Biologen, Ökonomen, eine Psychologin, eine Juristin und ein Raumplaner.

Weltweit verschärft

Wurden für die letztjährigen Gutachten die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt oder die „Forschung für den Planeten Erde“ untersucht, geht es in diesem Jahr um die Verknappung des Süßwassers. Die Bewältigung der sich weltweit verschärfenden Wasserproblematik sei eine der größten Herausforderungen für die aktuelle Umwelt- und Entwicklungspolitik, heißt es dort. Die Bundesregierung solle aktiv daran mitwirken, daß die knapper werdende Ressource Wasser gerecht verteilt wird. Hierzu zähle auch ein ausreichender Schutz gegen Hochwasser und Dürre.

Eine von Deutschland initiierte „Weltwassercharta“ – ein Verhaltenskodex, angesiedelt etwa bei einer Uno-Organisation – könnte die internationale Staatengemeinschaft auf gemeinsame Prinzipien zu einem „guten Umgang mit Wasser“ verpflichten. Als eines der wirtschaftsstärksten Länder und zudem als einer der größten Mitverursacher globaler Umweltprobleme, habe Deutschland eine besondere Verpflichtung und Verantwortung, sich in der weltweiten Umwelt- und Entwicklungspolitik zu engagieren.

Nur 2,5 Prozent der gesamten Was sermenge der Erde ist Süßwasser. Davon werden etwa 70 Prozent von der Landwirtschaft, 23 Prozent von der Industrie und acht Prozent in privaten Haushalten, Betriebsstätten und in kommunalen Einrichtungen genutzt.

Mit der Einführung von Hochertragssorten und der Bewässerungslandwirtschaft stieg der Wasserverbrauch seit den sechziger Jahren massiv an. Dennoch ist die regionale Wassernutzung sehr unterschiedlich.

Mit der Verstädterung und mit verändertem Reinlichkeitsbedürfnis machte sich in westlichen Kulturen eine Sorglosigkeit im Umgang mit dem kostbaren Naß breit. Weil Wasser jederzeit und unbegrenzt „aus dem Hahn“ strömt und weil überdies unsichtbar bleibt, welche Reserven dafür angezapft werden und welche ökologischen Folgen das hat, wird Wasser vielfach als „toter Rohstoff“ empfunden. Zudem wird die Kanalisation oftmals als Entsorgungspfad genutzt, Abfälle und Essensreste dem Ausguß überantwortet. Während Südamerikaner jährlich 332 Kubikmeter pro Kopf verbrauchen, liegt der Bedarf der Europäer mit 626 Kubikmeter fast doppelt so hoch. Spitzenverbraucher sind die Nordamerikaner. Sie benötigen pro Kopf 1451 Kubikmeter Wasser im Jahr. In der Wahrnehmung der Deutschen spielt die Wasserproblematik bisher nur eine untergeordnete Rolle. Wie in allen Industrieländern so ist auch hierzulande der individuelle Pro-Kopf-Verbrauch verschwenderisch. Die Bundesbürger nutzen von den durchschnittlich 130 Litern pro Tag gerade einmal vier Liter zum Trinken und Kochen. Das Gros, nämlich 90 Liter, verschwindet bei der Körperhygiene oder mit der Toilettenspülung direkt in die Abwasserrohre. Die Möglichkeit, wassersparende Armaturen einzubauen oder nur leicht verschmutztes Brauchwasser aus Dusche oder Küche etwa zum Rasensprengen oder für die Toilette zu verwenden, wird nur von wenigen genutzt. Hinzu kommen versteckte oder indirekte Wasserverbräuche, etwa durch den Kauf von Konsumartikeln. So tragen ein Strauß Blumen, eine Handvoll Bananen oder ein paar Orangen „ökologische Wasserrucksäcke“ mit sich, die anderswo gefüllt wurden. Und zur Herstellung eines Autos sind sogar über 200 000 Liter Wasser erforderlich.

zurück zur Titelseite NN

© Nürnberger Nachrichten