Impfstoff soll die
Borreliose verhindern
Die durch Zeckenstiche übertragene Krankheit wird von den Ärzten
häufig zu spät erkannt -
Substanz wurde in Deutschland entwickelt

VON KLAUS WILHELM

Wenn im März die Tage länger werden und wärmer, dann sticht ein kleines Ungeheuer wieder zu, im Wald und an seinen Rändern, in Gärten und Parks, lautlos und heimlich. Und wenn der „gemeine Holzbock“ sich erst festgebissen hat, dann steigt das Risiko einer Infektion. Denn mit dem Zeckenspeichel strömen bestimmte Bakterien, sogenannte Borrelien, ins Blut. Sie verursachen, nach Schätzungen etwa zehntausend bis zwanzigtausend Mal jährlich, die „Lyme-Borreliose“ – ein Krankheitsbild, das in 60 Prozent der Fälle mit einer ringartigen, anwachsenden Hautrötung um den Einstich und grippeartigen Symptomen beginnt und, allerdings selten, zu schweren Gelenkentzündungen oder Herzbeschwerden führt.

Diffuse Symptome

Eine Behandlung mit Antibiotika kann helfen, aber zu spät kommen, falls man den Zeckenbiß nicht rechtzeitig entdeckt oder die Krankheit wegen der diffusen Symptome gar nicht diagnostiziert wird. Doch zumindest in den Vereinigten Staaten wird in Kürze ein Impfstoff gegen die Borreliose zugelassen – „der erste vorbeugende Schutz gegen die Erkrankung“, erklärte Reinhard Wallich von der Uni versität Heidelberg jetzt bei einem internationalen Expertensymposium in Berlin. Der Immunologe hat die Vakzine zusammen mit seinen Kollegen Michael Kramer, ebenfalls von der Universität Heidelberg, und Markus Simon vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg entwickelt. Die dritte Studienphase in den USA mit über 11 000 Freiwilligen wurde im November vergangenen Jahres vorzeitig abgebrochen – wegen bestechenden Erfolges.

Was widersinnig klingt, erklärt sich schnell. Die Hälfte der Testpersonen bekam statt des Impfstoffes ein Scheinpräparat gespritzt. Dies erschien der obersten US-Gesundheitsbehörde als „ethisch nicht mehr vertretbar“, weil sich die Vakzine schon weit vor Studienende als hochwirksam, sicher und verträglich erwies.

Der Impfstoff aus den deutschen Forschungsküchen enthält ein bestimmtes, „Osp A“ genanntes Protein der Borrelien. Ins Blut gespritzt, löst er eine spezifische Abwehrreaktion gegen den Erreger aus, worauf der Organismus schließlich auf das Bakterieneiweiß „abgerichtete“ Gedächtniszellen bildet. Im Falle einer echten Infektion kann sich das Immunsystem so blitzschnell erinnern und den Ausbruch der Borreliose verhindern. Die neue Prävention wurde in den USA getestet, weil dort nur ein einziger Typus der Borrelien existiert, der nur eine Form von „Osp A“ produziert.

„Komplexe Sache“

„In Europa ist die Sache komplexer“, betonte Wallich. Hier haben es die Biologen und Mediziner mit sieben verschiedenen Borrelien-Subtypen zu tun, die jeweils leicht abgewandelte Osp-A-Eiweiße herstellen. Theoretisch müßte ein Impfstoff darum alle Varianten enthalten. Wallich: „Wir glauben aber, daß schon drei Protein-Subtypen ausreichen, um eine breite und effektive Immunreaktion auszulösen.“

Bereits in einigen Wochen könnte die entsprechende Vakzine abgemischt sein, so daß möglicherweise noch in diesem Jahr mit klinischen Studien in Europa zu rechnen sei. Im Falle positiver Ergebnisse erwartet Wallich eine Zulassung „in ein bis zwei Jahren“. Mit der Entwicklung einer alternativen Vakzine befaßt sich auch eine österreichische Pharmafirma. Studien am Menschen haben noch nicht begonnen.

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