Aus der Asche
neues Leben

125 Jahre Yellowstone-Nationalpark

Von Tilman Streif, dpa

Einen öffentlichen Park oder ein Vergnügungsgebiet zum Nutzen und Wohle des Volkes richtete US- Präsident Ulysses S. Grant mit seiner Unterschrift vor 125 Jahren ein. Und damit machte er Anfang März 1872 Geschichte: 9 000 Quadratkilometer Land am Yellowstone-River wurden zum ersten Nationalpark der Welt. Über ein Jahrhundert lang entwickelte er sich zum Touristenmagneten. Feuer zerstörte 1988 die Hälfte des Waldbestandes. Neun Jahre später zeigte sich, daß die Flammen dem Nationalpark neues Leben gaben.

"Die Brandkatastrophe war ökologisch gesehen ein Segen", sagt Parksprecherin Marsha Karle. Die Wälder aus verkohlten Stämmen, an denen die Besucher des Parks bis heute vorbeifahren, bieten frischen Keimen Nahrung. Über ein Jahrhundert lang waren auch kleinste Feuer im Park systematisch gelöscht worden. So entstand dichtes Unterholz, das andere Pflanzen erstickte und sich zu Zunder für eine riesige Feuersbrunst ansammelte. "Mit der kompromißlosen Feuerbekämpfung hatten wir natürliche Prozesse gestört", erläutert Karle.

Dieses falsche Management der Natur hatte im Yellowstone-Gebiet Tradition. Dort war es lange vorrangiges Ziel, den Besuchern ein umfassendes Unterhaltungsprogramm zu bieten. Millionen von Touristen kommen, um heiße Thermalquellen und Sinterterrassen beim Parkzentrum Mammoth Hot Springs zu bewundern. Sie wollen die pünktlichen Eruptionen des Geysirs Old Faithful erleben und einen Blick in die tiefe Schlucht werfen, die der Yellowstone-River in die Felsen gegraben hat.

Aber sie wollen auch wilde Tiere sehen. Deshalb wurde vor 80 Jahren aus der Not eine Tugend gemacht: Bären, die im Müll wühlten, wurden Zuschauern vorgeführt, die auf speziell für diesen Zweck errichteten Aussichtsbänken Platz nahmen. "So entstanden unsere Bettelbären, die gefüttert werden wollen", berichtet Marsha Karle. Erst in den siebziger Jahren begann man umzudenken. Die Parkranger stellten bärensichere Mülltonnen und Schilder auf, die das Füttern wilder Tiere streng verbieten. Inzwischen bietet man den Besuchern eine Safari mit wirklich wilden Tieren. "Jetzt leben zum Beispiel wieder etwa 40 Wölfe im Park, und unsere Besucher können ihnen bei der Jagd auf Hirsche zusehen", sagt die Parksprecherin.

Die Wölfe waren zu Beginn des Jahrhunderts ausgerottet worden, weil die Nachbarn des Parks im Nordwesten des Staates Wyoming um den Bestand ihrer Rinderherden füchteten. Viehzüchter aus dem angrenzenden Montana setzten außerdem durch, daß die weltberühmten Yellowstone-Bisons erschossen werden, sobald sie das Parkgebiet verlassen. Rund 1 000 der insgesamt 3 500 Tiere fielen allein in diesem Winter dem umstrittenen Abschußprogramm zum Opfer, mit dem die Ausbreitung einer Rinderkrankheit verhindert werden soll.

Davon bekommen die meisten Besucher bei ihrer Tagesfahrt durch den Park mit einem fast 500 Kilometer langen Straßennetz nichts mit. Sie bereisen die geothermisch aktivste Region der Erde, können Schwefelgestank aus dampfenden Erdlöchern einatmen und anschließend auf dem glasklaren Wasser des Yellowstone-Sees eine Bootstour machen. Angesichts des Massentourismus sieht Karle vor allem eine Herausforderung für die Zukunft des 125 Jahre alten Nationalparks: "Wir müssen ein Stück Wildnis-Atmosphäre bewahren."

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