Urlaubsflirt
mit
der Heimat
Deutsche bereisen ihr eigenes Land Zur
Urlaubsplanung der Bundesbürger gehört immer häufiger
neben dem Globus auch die Deutschlandkarte. An Spaniens
Stränden oft gebräunt, die Pyramiden schon bestaunt und
durch die Südsee längst gekreuzt, entdecken sie
Lüneburger Heide, Harz und Fränkische Schweiz erstmals
oder wieder neu.
Der Urlaub im eigenen Land dauert oft
nur ein paar Tage, ist nicht immer von einer kappen
Reisekasse diktiert und hängt statt vom
Last-Minute-Angebot oder Dollarkurs vor allem vom Wetter
ab.
95 Prozent der Gäste aus dem
Inland
Aus Sicht der Fremdenverkehrsbranche
sind sich die Bundesbürger ohnehin selbst die treuesten
Gäste - und die zahlungskräftigsten: Von den 183
Milliarden Mark Bruttoumsatz der Tourismuswirtschaft
hierzulande 1995 bestritten deutsche Urlauber immerhin
139 Milliarden Mark, berechnete der Deutsche
Fremdenverkehrsverband in Bonn. Paradebeispiel
Bodenseeregion: Obwohl Grenzgebiet, kamen von den 1,2
Millionen Besuchern im vergangenen Jahr 95 Prozent aus
dem Inland.
Bei einem großen Kölner
Pauschalreiseveranstalter liegt die eigene Heimat bereits
auf Platz drei der Reiseziele, hinter Spanien und
Tunesien. Am beliebtesten seien Bayerischer Wald und
Ostsee. In diesem Jahr rechnet der Anbieter mit plus zehn
Prozent bei Inlandsreisen.
Knappe Urlaubskassen geben offenbar
nicht immer den Grund ab für die neue Liebe zur Heimat:
Teure Fernreisen sind der Branche zufolge weiter gefragt.
Und auch bei Ferien in Deutschland sei kein Trend zum
Billigurlaub erkennbar, sagt ein Münsterländer
Reiseanbieter. Beim Urlaub im eigenen Land legen
die Leute durchaus Wert auf Qualität.
Umsatz fällt
Spürbare Einbußen vermeldet dagegen
der Tourismusverband Bodensee- Oberschwaben: Die
Gäste kommen, aber der Umsatz fällt geringer aus,
berichtet Geschäftsführer Ulrich Erhardt. Gespart werde
am Essen und bei der Zimmergröße. Hotels der
Spitzenkategorie seien jedoch nicht betroffen.
Auch bei Schwarzwald-Urlaubern finden
sich schmale Geldbeutel neben prallen Brieftaschen:
Entweder mieten sich die Gäste eine günstige
Ferienwohnung oder leisten sich gleich ein Hotel der
Luxusklasse, berichtet Sprecher Hubert
Matt-Willmatt.
Wenn geknausert wird, dann vor allem
bei der Dauer des Urlaubs. Vor zehn Jahren seien die
Gäste im Schnitt zehn Tage am Bodensee geblieben, heute
seien es nur viereinhalb. Auch das Münsterland wird nach
Veranstalterangaben zunehmend zur klassischen
Kurzreiseregion.
In den Teutoburger Wald kamen dem
Fremdenverkehrsverband zufolge 1996 zwar mehr Gäste, die
Zahl der Übernachtungen sank aber um 6,2 Prozent auf
7,73 Millionen. Vor allem die Tagesausflügler werden
mehr.
Minus beklagt
Besonders die Kurorte wünschen sich
einen Boom des Heimaturlaubs herbei. Mit den
Feriengästen hoffen sie, ihre Ausfälle bei Kurgästen
infolge der Gesundheitsreform zu mildern. So kamen in die
Kurorte des Schwarzwaldes in den ersten vier Monaten des
Jahres bis zu 50 Prozent weniger Besucher, Ostwestfalen
beklagt ein Minus von einem Drittel.
Der von Hoteliers und Gastronomen
erhoffte heiße Urlaubsflirt der Deutschen mit der Heimat
könnte sich jedoch schnell abkühlen, wenn das Wetter
nicht mitspielt. Nicht nur im Brühler Freizeitpark
Phantasialand sorgte der vergangene Sommer,
der keiner war, für zehn Prozent weniger Besucher.
Bei wolkenverhangenem Himmel über
Deutschland werden in den Reisebüros die Schlangen
Sonnenhungriger und Fernwehgeplagter wieder mit jedem
Regentag länger werden.
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