Das schlechteste Hotel der Welt?

Das Hans Brinker-Hotel in Amsterdam ist der "mieseste Schuppen der Stadt" - das behauptet jedenfalls der Direktor. In seinen Prospekten wirbt das Hotel: "Jetzt noch weniger Service."

Auf Plakaten in Berlin und Frankfurt, London und Paris lockt Hans Brinker mit Angeboten wie: "Jetzt kostenloser Gebrauch der Notausgänge. Ab sofort noch mehr Hundehaufen vor dem Haupteingang. Alle Zimmer ohne Aussicht. Gratis-Schlafpillen an der Rezeption."

Hoteldirektor Rob Penris hat in seinem Büro die Beschwerdebriefe in dicken Aktenordnern abgeheftet. Über seinem Schreibtisch hängt ein Zettel mit der Aufschrift: "Trottel". "Ich war das ewige Gemeckere leid", sagt er.

"Wenn jetzt noch jemand kommt und sich beschwert, sage ich ihm: 'Was wollen Sie? Haben Sie unsere Broschüren nicht gelesen? Wir hatten Sie doch gewarnt.'" Und das stimmt, die Gäste wissen, was sie erwartet: Lärm, Dreck und 20 Mücken pro Zimmer als spezielles Sommerangebot.

"Um Ihnen eine ungestörte Nachtruhe garantieren zu können, hat keines unserer Zimmer ein Telefon", verspricht der Prospekt. Dafür gibt es zu jedem Zimmer einen eigenen Schlüssel und pro Doppelbett ein Kissen. "Was braucht man als junger Mensch mehr?" fragt Penris. "Die Leute kommen ja schließlich nicht des Hotelzimmers wegen nach Amsterdam."

Wer dennoch zu lange im Bett liegenbleibt, wird mit "Kammermusik" geweckt: Die röhrenden Staubsauger der Putzkolonne reißen ihn gnadenlos aus dem Schlaf.

Zur Zeit locken in der Amsterdamer City 200 in Hundehaufen aufgespießte Reklame-Fähnchen zu Hans Brinker. Ein Einzelzimmer kostet pro Nacht 70 Gulden (62 Mark) - ein stolzer Preis für "das schlechteste Hotel der Stadt". "Wir sind sicher nicht preiswert", sagt Penris ohne Umschweife. "Aber die Frage ist doch nicht, ob wir teuer oder billig sind, sondern, ob unsere Gäste zahlen."

Und das tun sie. In diesem Jahr hat es Hans Brinker mit seinen 540 Betten in 143 Zimmern erstmals auf über 100 000 Übernachtungen gebracht. Gleichzeitig kamen so wenige Klagen wie schon lange nicht mehr.

Das ist der Vorteil der Anti-Reklame: Die Erwartungen der Gäste sind von Anfang an so niedrig, daß sie schon angenehm überrascht sind, wenn sie nicht auf dem Fußboden schlafen müssen. CHRISTOPH DRIESSEN (dpa)

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© Nürnberger Nachrichten 1996