Die perfekte
Illusion

In der Traumfabrik Las Vegas
hat Mittelmäßiges keine Chance
Von Eveline Krabec
Das nächtliche Las Vegas im Lichterglanz.
Es ist gar nicht so einfach, die Hotelrezeption zu
finden. Egal, welchen Eingang man nimmt, zuerst führt
der Weg durch einen Park blinkender und piepsender
Spielautomaten. Alle Hotel-Angestellten tragen
Namensschilder. Karl aus Nevada ist eigentlich aus Melk
an der Donau. "Zum ersten Mal in Las Vegas?",
fragt er. "Zum zweiten Mal." "Verrückte
Stadt, was?"
Die
Stadt in der Mojave-Wüste ist in der Tat Amerikas
schrillste, künstlichste und am schnellsten wachsende
Stadt. In den letzten Jahren ist ein Bauboom
ausgebrochen, der seinesgleichen sucht. Unter 300
Millionen Dollar wird kein Hotel mehr gebaut. Ideen sind
gefragt und es gilt: je verrückter, desto besser.
"Caesars Palace", vor ein paar Jahren als
einzigartiges Themenhotel der Luxusklasse bestaunt, und
der künstliche Vulkanausbruch vor dem
"Mirage"-Hotel haben längst Konkurrenz
bekommen.
Jede Menge Spaß
Und damit die Kleinen nicht quengeln, während Papi
verliert, gibt es ein Überangebot an Attraktionen für
die ganze Familie: Ritterturniere im Dornröschenschloß
"Excalibur", eine Seeschlacht live und zum
Nulltarif vor dem Schatzinsel-Hotel
"Treasure-Island" (Werbeslogan: Besser als das
Buch!), Zirkusvorführungen im "Circus Circus"
und dem derzeit größten Hotel auf der Welt, dem
"MGM-Grand" mit 5005 Zimmern, ist ein
Themenpark à la Disneyland angeschlossen.
Das neue Wahrzeichen der Stadt ist der
Stratosphere-Tower, der höchste Turm in den Staaten. Er
bietet nicht nur eine phantastische Aussicht, sondern
vermittelt Nervenkitzel der besonderen Art. Um seine
Kuppel windet sich in 350 Metern Höhe eine Achterbahn.
Wem die Fahrt mit dem "High Roller" noch nicht
reicht, der kann sich zur Spitze des Turms hochziehen
lassen und den freien Fall genießen.
Neue Superlative
Das größte Hotel, der höchste Turm, die besten
Shows. In der Traumfabrik Las Vegas hat Mittelmäßiges
keine Chance mehr. Alte Hotels werden gesprengt und
machen Platz für neue Abenteuerspielplätze. Auf den
Baustellen am Strip, der Casino-Meile des
Spielerparadieses, entstehen immer mehr neue
Mega-Resorts, und bereits Ende des Jahres soll die 100
000-Zimmer-Grenze erreicht werden.
Im Dezember will das "New York New York"
seine Pforten öffnen (Reservierungen: Telefon 1 800 69
36763). Eine 100 Meter lange Nachbildung der
Brooklyn-Bridge führt die Besucher ins Hotel, dessen
Äußeres die Skyline New Yorks darstellt. Die
Spieltische werden im "Central Park" stehen,
Restaurants sind im "Greenwich Village" zu
finden, in der "Radio City Hall" werden sich
musikalische Attraktionen abwechseln und in der
"Park Avenue" entsteht ein Einkaufsparadies.
Außen vor den Hoteltürmen schlängelt sich eine
Coney-Island-Achterbahn in die Luft.
Edles Ambiente
Für 1,25 Milliarden Dollar wird bis 1998 das bislang
teuerste Hotel der Luxus-Klasse mit 3000 Zimmern gebaut:
Es wurde "Bellagio" getauft, nach einem kleinen
Dorf am Comer See. Edles Ambiente, rauschende
Wasserfälle und klassische Gärten sollen vor allem ein
zahlungskräftiges Publikum anziehen.
"Unsere Besucher wollen ihrem Alltag entfliehen
und erwarten Ungewöhnliches." Nach diesem Motto
entstand in Las Vegas eine Traumwelt, die auf die einen
kitschig und abstoßend wirkt, andere sind fasziniert
davon. Längst werden nicht mehr nur Spielsüchtige von
dieser Stadt angezogen. Immer mehr Familien unterbrechen
hier ihre Rundreise durch den Westen Amerikas und legen
einen unterhaltsamen Zwischenstopp ein.
Las Vegas hat sich verändert, von der anrüchigen
Spielerstadt hin zum Freizeitparadies rund um die Uhr.
Allerdings sind Besucher, die sich aufgrund der niedrigen
Hotel- und Verpflegungskosten ein paar günstige
Urlaubstage machen wollen und ansonsten um die Casinos
einen großen Bogen machen, nicht so gern gesehen. Aber
Hunderte von Läden und ein riesiges Unterhaltungsangebot
verführen auch Nichtspieler zum Konsumieren und Geld-
ausgeben. Künftig werden sich unter die
schwertbehangenen und als Seeräuber verkleideten Kids
auch welche im Star-Trek-Outfit mischen: Das neue Konzept
des "Las Vegas Hilton" heißt "Star Trek -
The Experience". Dort werden bald Besucher in die
Rolle eines Raumschiff-Mitglieds schlüpfen und eine
Reise in die imaginäre Star-Trek-Welt antreten können.
Selbstverständlich können Enterprise-Fans dort auch
Sammlerstücke erwerben.
Brautpaare an Spieltischen sind in Las Vegas nichts
Ungewöhnliches. Jährlich geben sich hier etwa 100 000
Paare das Jawort. Kein Heiratswunsch kann so ausgefallen
sein, daß er nicht erfüllt würde. 50 Trauungskapellen
bieten alles, was das Herz begehrt: Auftritt eines
Elvis-Doubles, Trauung in einem Heißluftballon hoch
über der Stadt, Eheschließung im Vorbeifahren an einem
"Drive Through Window" (35 Dollar) oder
stimmungsvoll am Rande des Grand Canyon.
Attraktives Ambiente
Aus der perfekten Illusion in die phantastische
Wirklichkeit führen attraktive Ausflüge in die Umgebung
der Spielerstadt. Nur eine Autostunde entfernt liegt das
"Valley of Fire" mit bizarren
Sandsteinformationen. Von dort kann man zum Lake Mead
weiterfahren, der durch den gestauten Colorado-Fluß am
Hoover-Damm entstand. Ohne diesen Damm, der Las Vegas mit
Wasser und Strom versorgt, gäbe es die Glitzermetropole
nicht. Ein einziges Hotel verbraucht an einem Tag
genausoviel Strom wie eine Kleinstadt mit 60 000
Einwohnern. Doch ökologische Bedenken werden einfach
zerstreut: "Enjoy, have fun! Amüsier dich!"
Information: Las Vegas Convention and
Visitors Authority, Herzogspitalstraße 5, 80331
München; Tel. (0 89) 26 78 95;
Literaturtips: Koval-Reiseführer Las
Vegas, 24.80 Mark; Spielen und Heiraten in Las Vegas,
Heller-Verlag, Taufkirchen, 19.80 Mark.
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