Wie im
schönsten
Bilderbuch
Landschaftliche Vielfalt und
heimelige
Städte faszinieren den Reisenden in Nordnorwegen Von Ulrich Rach
Der italienische Forscher Pietro Negri schrieb
1664: Hier stehe ich am Nordkap, am äußersten
Zipfel der Finnmark, am Ende der Welt selbst. Hier, wo
die Welt endet, endet auch meine Wißbegierde, und ich
wende mich zufrieden nach Hause. Ehrfurcht spricht
wohl aus diesen Worten und die Gewißheit, etwas von
endgültiger Bedeutung erlebt zu haben.
Das Nordkap, der nördlichste Punkt
Europas, und darüber hinaus das gesamte nördliche
Norwegen vermitteln noch heute dem Besucher das Gefühl,
eine Welt zu schauen und zu spüren, die Vergleichbares
missen läßt.
Es gibt kaum Finnmark-Reisende, die
sich dem besonderen Reiz dieser Region entziehen können.
Dieses Land gräbt sich in die Seele ein. Vielleicht
liegt es an der Landschaft mit den bizarren Fjorden und
den weiten Landflächen Samelands. Vielleicht auch an den
heimeligen Städtchen, geziert von bunten Holzhäusern
wie im schönsten Bilderbuch.
Vielleicht bewegt auch das Spiel der
Natur das Gemüt in besonderer Weise, das Spiel, das so
ganz anders verläuft als in den meisten Regionen der
Erde: mit dem Nordlicht, mit dem unendlichen Tag im
Sommer, mit der nicht endenden Nacht und Bergen von
Schnee im Winter. Die bewegte Historie kommt noch hinzu,
deren Hauch überall zu spüren ist. Und die reiche
Kultur, die vielfach auch aus der Vergangenheit
entspringt.
Tor zur Arktis
Die Einheimischen sind dementsprechend
stolz auf ihre Heimat, die sie gerne vorzeigen und
deren Superlative sie dem Fremden bei jeder Gelegenheit
präsentieren. Wie in Tromsø: Hauptstadt der
Nordkalotte, Tor zum Eismeer, Tor zur Arktis.
57 000 Menschen leben hier im
Paris des Nordens, das früher mal diesen
Beinamen bekam wegen der Eleganz seiner Bewohner, heute
aber wegen des regen Nachtlebens diese Bezeichnung
führt. Eine nordische Stadt, wie gemalt, direkt an den
Schiffahrtswegen mit faszinierender Natur gewissermaßen
vor der Haustüre.
Und natürlich mit Rekorddaten: Wir
finden dort beispielsweise die nördlichste Universität,
den nördlichsten Dom und die nördlichste Brauerei der
Erde. Das Trinkwasser, behaupten die Menschen von
Tromsø, sei das beste der Welt. Immerhin ist die Stadt
der einzige Ort auf dem Erdball, wo Coca-Cola mit Wasser
gebraut wird, das so rein ist, daß es nicht aufbereitet
werden muß.
Lange, kalte Winter
Freilich müssen die Tromsøer auch mit
der Wahrheit leben, daß kaum eine andere vergleichbar
große Stadt so viel Schnee zu verkraften hat und
über so viele Monate im Jahr. Der Winter in der
nordnorwegischen Metropole (und natürlich in der
gesamten Region) beginnt im Frühherbst und endet im
späten Mai. Der Sommer läuft im Zeitraffertempo. Das
Gras wächst bis zu drei Zentimeter am Tag.
Ach ja, zwei (sehenswerte) Museen
beherbergt Tromsø noch, zum Teil den weltbekannten
Forschern gewidmet, die von hier aus zu ihren
Expeditionen in die Kälte aufbrachen wie Amundsen,
Nansen oder Andrée, um nur einige zu nennen. Auch das
Nordlichtplanetarium ist einen Besuch wert. Was Sie schon
immer über das Nordlicht wissen wollten: dort erfahren
sie es. Aber Vorsicht! Magenempfindliche Menschen kommen
schon mal mit grünem Gesicht nach den Vorführungen aus
dem 180-Grad-Kinosaal.
Durch das Eismeer
Wer Glück hat und bei seinem
Nordnorwegen-Aufenthalt sternenklare Nächte erlebt, kann
auch das Nordlicht in natura sehen. Vielleicht bei einer
Schiffahrt auf der Hurtigrute durch das Eismeer. Auch so
ein Erlebnis, das sich fast unauslöschlich einprägt.
Ein Land zum Schwärmen. Hammerfest,
ein weiteres Beispiel: Nördlich des 70. Breitengrads
gelegen, die nördlichste Stadt der Welt, nördlicher als
Sibirien und Alaska, warmgehalten durch den Golfstrom wie
das gesamte Nordnorwegen. Viel verträumter als Tromsø.
Rund um den Sund gebaut, den zweimal im Jahr 5000 bis
6000 Rentiere auf ihrem Wanderweg durchschwimmen. Der
Eisbärenklub lädt hier zum Besuch ein (jedermann darf
Mitglied werden), die protestantische Kirche mit ihrer
strahlenden Glasmalerei, das katholische Gotteshaus,
natürlich das nördlichste der Erde.
Honningsvåg wäre noch zu erwähnen,
noch nördlicher gelegen als Hammerfest, aber nicht mit
Stadtrechten versehen, daher nur es lebe der
nordische Superlativ! die nördlichste Kommune der
Welt. Sie gilt als Vorposten zum Nordkap. Wenn auch
dereinst der eingangs erwähnte Italiener Pietro Negri am
äußersten Nordzipfel Europas in Entzücken verfiel: das
Kap selbst ist (50 Mark Eintrittspreis) bei all den
vielen tiefen Eindrücken, die Nordnorwegen vermittelt,
nicht unbedingt der Höhepunkt einer Reise: ein 307 Meter
hoher Felsen über dem Meer samt Denkmal, nördlich des
71. Breitengrads gelegen, von einer Straße erschlossen,
2080 Kilometer vom Nordpol entfernt. Filmvorführungen,
Andenkenläden, Hochzeitskapelle: kaum sonst wo in dieser
Region fühlt sich der Besucher so vermarktet wie hier.
Zentrum der Samen
Da bietet doch ein Ausflug ins Sameland
viel mehr, beispielsweis nach Karasjok, dem Zentrum der
Samen (die uns besser als Lappen bekannt sind, was diese
aber nicht allzu gerne hören.) Auch auf einer
touristisch organisierten Reise sind dort die Begegnung
und das Gespräch mit diesen Ureinwohnern des Landes
möglich, die nur noch zu einem kleinen Teil als
nomadisierende Rentierhirten arbeiten, sich heute
bisweilen unterdrückt fühlen und in ihren Freiheiten
eingeschränkt. Aber die Integration der Indianer
Nordeuropas schreitet voran, meinen sogar manche
von ihnen selbst. Daß sich einige der Lappen inzwischen
volkstümelnd in den Dienst des Tourismus stellen, mutet
angesichts der großen Ursprünglichkeit dieser Region
eher unangenehm an.
Aber mancher Nordland-Reisende will
eben nicht nur Natur, Kultur und Beschaulichkeit erleben,
er will aktiv unterhalten sein. Und das ist er in
Nordnorwegen übrigens auch ohne aufgepfropfte
Lagerfeuer- und Rentier-Romantik. Das Angebot ist
vielfältig und reicht von Walsafaris, Wander- und
Radfahrangeboten, über Angeln und Bootfahren,
Rentier-Rennen und Hundeschlitten-Fahren bis hin zum
Skilanglauf und zum Snow-Scooter-Ausflug. Um nur einige
Beispiele zu nennen. Nordnorwegen, das sei versichert,
geht nicht nur zu Herzen, es macht auch Spaß, allerdings
ist es nicht immer ein preiswertes Vergnügen.

Es ist bisher nicht ganz einfach,
Nordnorwegen von Deutschland aus zu bereisen: Wer die
4000 Kilometer lange Strecke nicht mit dem Auto
zurücklegen will, dem bleiben zwei Möglichkeiten:
Entweder er wählt die insgesamt elftägige Schiffahrt
auf der Hurtigrute, dem ehemaligen Postschiff, entlang
der Küste von Bergen nach Kirkenes und zurück, oder er
kommt per Flugzeug. Im letztgenannten Fall ist aber
mehrmaliges Umsteigen programmiert. Da nur mit Linie
geflogen werden kann, liegt auch der Preis sehr hoch.
Ab Juni dieses Jahres allerdings bietet
der Reiseveranstalter Norden Tours direkte
Charterflugverbindungen mit Aero Lloyd und LTU von
deutschen Flughäfen nach Tromsø, Bodø und Lakselv zu
Preisen zwischen 590 und 745 Mark an. Der
Nordnorwegen-Urlauber kann sich selbst die Art seines
Aufenthalts und die Ziele in einem Bausteinsystem
zusammenstellen.
Eine weitere wöchentliche
Charterverbindung nach Tromsø ist ab Winter 1998
vorgesehen. März und April gelten als besonders
eindrucksvolle Urlaubsmonate in dieser Region,
Winterurlaubswochen allerdings.
Nähere Auskünfte erteilt Norden
Tours, Kleine Johannisstraße 10, 20457 Hamburg, Telefon
(0 40) 37 70 22 70, Fax (0 40)
37 50 11 16. Die Buchung der Sommerflüge
ist bereits jetzt in jedem Reisebüro möglich.
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