Stehen Reisebüros
bald im Regen?
Branche befürchtet Umsatz-Einbrüche durch
Online-Buchungen

Von Alexandra Borchardt, dpa

Im Geschäft mit den Urlaubsträumen sehen die deutschen Reisebüros immer weniger Sonne. Zu viele Betriebe teilen sich einen umkämpften Markt, die Gewinnspannen sinken, die Großen schlucken die Kleinen, Fluggesellschaften und Bahn planen die Kürzung von Provisionen.

Über allem schwebt das Schreckgespenst Online: Dank neuer Technologien werden immer mehr Kunden künftig per Computer direkt bei Airline, Hotel oder Mietwagenfirma buchen. Daß die Service-Qualität in so mancher Verkaufsstelle jüngsten Untersuchungen zufolge zu wünschen übrig läßt, steuert diesem Trend nicht gerade entgegen.

„Die hohe Dichte von Reisebüros in Deutschland kann auf Dauer nicht aufrechterhalten werden“, ist der Präsident des Deutschen Reisebüroverbandes, Gerd Hesselmann, überzeugt. Im vergangenen Jahr seien rund 250 Pleiten gezählt worden. Derzeit gebe es inklusive Nebenerwerbsbüros zwischen 17 000 und
18 000 Verkaufsstellen. Aber: „Unter 15 000 sind eine ausreichende Zahl.“

Außerdem nimmt die Konzentration zu. 1994 waren Hesselmann zufolge nur noch 35 Prozent der Büros Einzelkämpfer, 1995 sank dieser Anteil auf 29 Prozent. Ein Ende dieses Trends ist nach Einschätzung des Bundeskartellamts nicht abzusehen. DER-Chef Peter Landsberger schätzt, daß der Markt längerfristig neben Ketten, Franchise- Betrieben und Kooperationen noch „für zehn bis 20 Prozent guter Spezialisten“ Platz haben wird.

Auch die ohnehin niedrigen Gewinnspannen gingen Hesselmann zufolge im vergangenen Jahr zurück. Derzeit liege die durchschnittliche Umsatzrendite bei unter einem Prozent. Vom ersten Juli an müssen sich jene Büros, die Lufthansa-Flugscheine verkaufen, auf weitere Einbußen gefaßt machen.

Die Airline wird dann auf Inlandsflugtickets nur noch fünf statt bislang neun Prozent Provision zahlen. Auch die Bahn hat angekündigt, die Provision mittelfristig zu kürzen – allerdings erst, wenn Programme zur Kostensenkung für die Reisebüros erarbeitet sind.

Eine Umwälzung der Branche erwarten Experten mit der stärkeren Verbreitung des Computernetzes Internet. „Die Bereitschaft, elektronisch zu buchen, ist da und wird beachtliche Umfänge erreichen“, prognostizierte kürzlich Prof. Horst Frank (Worms). Dies betreffe vor allem die Reservierung von Flügen und Bahntickets.

Bei der Pauschalreise gebe es noch „eine extreme Zurückhaltung.“ Aber die Angebote nehmen zu. So ermöglicht das elektronische Reisevertriebssystem Start von Ende April an über Internet die Buchung bei 440 Fluggesellschaften – noch sind Reisebüros dazwischengeschaltet. Auch viele Reiseveranstalter haben Internet- Seiten eingerichtet, bislang die meisten allerdings ohne Möglichkeit zum Buchen.

Nach Hesselmanns Worten lehren aber Erfahrungen aus den USA: Die meisten Kunden wollen trotz Computer nicht auf Beratung verzichten. Fast 95 Prozent aller Reisenden jenseits des Atlantiks buchten noch über ein Reisebüro. Um bestehen zu können, müßten die Büromitarbeiter allerdings selbst zu Online-Experten werden. Dafür wird so manches Unternehmen die Fernweh weckende Schaufensterdekoration sparen können. So erscheinen nur noch 30 Prozent der US-Kunden persönlich beim Verkäufer, der Rest bucht per Telefon.

Für Wagemutige muß der Sprung in die Selbständigkeit nach Hesselmanns Ansicht keine Bauchlandung werden. Voraussetzung: „Die Büros müssen sich zu einem bestimmten Thema profilieren.“ Das könne ein Land, eine Sportart oder eine Reiseart – zum Beispiel Wohnmobilreisen – sein. Das Basisangebot dürfe allerdings nicht fehlen.

Clevere Büros könnten das Internet dazu nutzen, sich und ihre Spezialitäten bekanntzumachen. Ausschlaggebend für den Erfolg sind allerdings auch simple Dinge wie Freundlichkeit und Engagement bei der Beratung. Aber genau daran hapert es vielerorts. So stellte die Stiftung Warentest in einer Untersuchung in rund einem Drittel von über 180 überprüften Reisebüros diesbezüglich deutliche Schwächen fest. Etwa jede sechste Agentur fiel völlig durch.

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