Kalkulierte Abenteuer am Kap
Wer Südafrika kennenlernen möchte, muß sich auf große Gegensätze gefaßt machen

Von Christiane Klatte

SüdafrikaJahrzehntelang stand Südafrika wegen seiner Rassenpolitik im weltpolitischen Abseits. Vor drei Jahren dann die große Wende. Seit Nelson Mandela und seine Regierung die Apartheid abgeschafft haben und versuchen, die Schranken zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung Stück für Stück abzubauen, ist die Neugier auf dieses große Land am Kap mit seinem fazinierenden Nebeneinander an Rassen, Sprachen, Kulturen und Landschaften gewachsen.

Noch sind die Narben der Apartheid nicht verheilt. Wer sich auf das Abenteuer Südafrika einläßt, wird immer wieder mit Gettos konfrontiert: mit luxuriösen Oasen wie den Lodges in den Tierreservaten und den Nobelherbergen in den Großstädten, aber auch mit Orten der Hoffnungslosigkeit wie die Squatters, die Elendsquartiere aus Wellblech, Plastik und Ölfässern, in denen Millionen Schwarze Unterschlupf gefunden haben, oder das Buschmann-Camp in der Nähe von Kimberley.

Der Tod einer Giraffe so kurz vor Sonnenuntergang hat allgemeine Zufriedenheit ausgelöst. Ein hochwillkommenes Abendessen. Dickbäuchig und satt lungern jetzt die Geier im kahlen Geäst, die Löwensippe hat sich nach dem Gerangel um die blutigen Fleischbrocken in das ausgetrocknete Flußbett des Timbawati zurückgezogen und würdigt die brummenden motorisierten Monster samt ihrer aufgeregten Fracht kaum eines Blicks. Die Rancher der Ngala Lodge, eines der privaten Tierreservate am Rand des riesigen Krüger-Nationalparks, sind froh über die schnelle reiche Ausbeute an Fotomotiven.

Tag für Tag kurven sie erwartungsvolle Greenhorns in offenen Landrovern durch das unwegsame Gelände, um ihnen die berühmten „Big five“ vor die Kamera zu locken. Löwe, Elefant, Büffel, Nashorn und der elegante Leopard sind die Topmodels jeder Fotosafari. Erst wenn wenigstens einige der Stars der afrikanischen Savanne auf Zelluloid gebannt sind, haben die Gäste im Khakidreß auch wieder Blick für die aparte Zeichnung der rassigen Zebras, die leuchtendblaue Halskrause der scheuen Perlhühner oder die versteinerten Trutzburgen der Termiten zwischen Schirmakazien und Dornenbüschen.

Das kalkulierte Abenteuer hat seinen Preis. 1200 Mark kostet die Nacht zu zweit unter dem Moskitonetz in der stilvoll eingerichteten Lodge. Im Preis inbegriffen sind zwei Ausfahrten in die Wildnis, das Abendessen am Lagerfeuer unter einem unvergleichlich schönen Sternenhimmel und der traditionelle Early Morning Tee.

Ngala gehört zusammen mit 21 weiteren Lodges zur Conservation Corporation Africa, die sich anspruchsvolle Ziele gesteckt hat: Die Organisation will Wild und Natur schützen, sie will die schwarze Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern für diese Idee gewinnen, ihnen Arbeit in den Lodges geben und sie will Gewinne erzielen.

Denn die Investoren aus aller Welt, die für den finanziellen Grundstock gesorgt haben, sehen sich nicht etwa als Wohltäter. Sie erwarten eine gute Rendite, einen Ökotourismus, der sich auch als wirtschaftlich erweist.

Die sandbraunen Armeezelte, 80 Kilometer vor der Diamantenstadt Kimberley, heben sich kaum von der staubigen trostlosen Landschaft ab. Im Niemandsland zweier Welten haben 4000 Buschmänner so etwas wie eine Bleibe gefunden. Von Heimat zu sprechen, wäre vermessen. In den 80er Jahren kämpften sie als Fährtenleser und Spurensucher auf südafrikanischer Seite in Namibia und Angola. Als sich die Südafrikaner 1990 aus Namibia zurückzogen, wäre der Weg zurück in die Heimat für die Buschmänner zu gefährlich gewesen. Seither harren sie in Schmidtsdrift aus.

Ihre Lage ist trostlos. Ein paar Hühner scharren im Sand. Die dürftigen Beete in der trockenen Steppe verheißen keine gute Ernte. Die meisten Buschmänner können weder schreiben noch lesen und beherrschen noch nicht einmal die Amtssprache Afrikaans. Keine guten Perspektiven, um einen einträglichen Job zu finden. Wenigstens die Kinder gehen in die Camp-Schule. Etwa 100 Männer stehen immer noch im Sold der Armee, einige haben auch einen Job auf den Farmen in der Nachbarschaft gefunden, aber die meisten leben von staatlichen Almosen. Doch der Druck wächst, seit die Armee angekündigt hat, demnächst ihre Unterstützung einzustellen.

Ein Kulturprojekt hat bei einigen Camp-Bewohnern inzwischen so etwas wie Selbstbewußtsein und Stolz auf die kreativen Fähigkeiten geweckt. Die Initiative hilft, wo sie kann. Sie kauft Leinwand, Farbe und Schnitzmesser ein, unterrichtet in neuen Techniken. Eine Baracke ist das Atelier. Hier malt zum Beispiel Bongi ihre ausdrucksstarken Bilder. Ihre Motive – naive Darstellungen von Menschen, Pflanzen und Tieren – haben große Ähnlichkeit mit den prähistorischen Felszeichnungen der Buschmänner, wie man sie zum Beispiel auch in der Nähe von Kimberley gefunden hat.

Der Hoffnungsschimmer am Horizont für die Camp-Bewohner heißt Platfontein. Ein Dutzend Buschmann-Familien ist inzwischen schon auf die ehemalige Farm umgezogen, hütet eine Herde Kühe und bereitet die Ankunft der anderen vor. Eine Reise ins gelobte Land oder doch nur wieder ein neues Getto?

Zwei bis vier Millionen Menschen leben in der Township Soweto südwestlich von Johannesburg, so genau weiß das niemand. Die meisten sind arbeitslos, leben in Elendsquartieren, die jeder Beschreibung spotten. In einem Bezirk müssen sich 11 000 Menschen 90 öffentliche Toilettenhäuschen teilen. Aber Soweto ist auch Kontrastprogamm, aus dem Jimmy Ntintili Kapital schlägt.

Seit zehn Jahren fährt er Touristen durch Soweto, vorbei an Blechbaracken, aber auch am größten Krankenhaus der Welt, vorbei an Golfplätzen, an der Universität und den Villen der Reichen. Einer kleinen Festung gleicht das Anwesen von Winnie Mandela, die seit 1995 von ihrem Mann geschieden ist. 25 Millionäre sollen in Soweto wohnen.

Die Armen zählt man nicht. Einer, der weiß, was Hunger und Hoffnungslosigkeit bedeuten, ist der 27jährige Chris Gumbi. Seit fünf Jahren versammelt er obdachlose Kinder um sich, gibt ihnen zu essen, kleidet sie ein und sorgt auch dafür, daß sie zur Schule gehen. Bis zu 25 Kinder, die er „Friends of House“ nennt, breiten nachts ihre Matratzen in seinen beiden Hütten aus. An manchen Tagen stehen bis zu 250 hungrige Kinder vor seiner Tür. Das Geld ist bei Chris immer knapp.

Aber Not macht bekanntlich erfinderisch. Heute legen die Touristenbusse bei ihm einen Zwischenstopp ein. Und wer kann dann bei so vielen niedlichen Kinderhändchen, die sich den Fremden entgegenstrecken, schon nein sagen. Die Spendenliste ist lang und gespickt mit Namen aus aller Welt.

Ganz tief im Süden breitet sich Kapstadt am kalten Atlantik aus, überragt vom drei Kilometer breiten Urgestein des Tafelbergs. Dem Besucher fällt die Annäherung an diese Stadt leicht. Denn Kapstadt ist nicht typisch afrikanisch, das Lebensgefühl eher kosmopolitisch. Ein buntes Völkergemisch verleiht der Stadt mit dem gemächlichen Lebenstil ein exotisches Flair. An der Waterfront mit ihrem neuen Fünf-Sterne-Hotel „Table Bay“ reihen sich ein Restaurant und eine noble Boutique an die andere.

Wenn Wind und Wellen es zulassen, bringt ein Schiff Touristen elf Kilometer übers Meer hinüber nach Robben Island. Das einst berüchtigte Gefängnis ist heute Museum. Maximal 250 Besucher täglich dürfen jenen Ort besuchen, zu dem Nelson Mandela und andere politische Gefangene in Handschellen und Fußeisen gebracht wurden und wo sie über zwei Jahrzehnte Steine klopfen mußten. An klaren Tagen taucht Robben Island schemenhaft am Horizont auf. Der Blick zurück auf die Stadt am Kap wird Nelson Mandela die Kraft zum Durchhalten gegeben haben.

Die Information

Südafrika hat 42 Millionen Einwohner: 33 Millionen Schwarze, fünf Millionen Weiße, drei Millionen Mischlinge und eine Million Asiaten. Die offiziellen Sprachen sind Afrikaans, Englisch und neun schwarze Sprachen.

Hauptreisezeit: Oktober bis März. Im europäischen Sommer gibt es keine Zeitverschiebung, im Winter ist Europa Südafrika eine Stunde voraus.

Zur Einreise genügt ein Reisepaß, der mindestens noch sechs Monate gültig ist.

Anreise: South African Airways (SAA) fliegt jeden Tag von Frankfurt nach Johannesburg und viermal in der Woche weiter nach Kapstadt. Das Ticket kostet je nach Saison ab 1699 Mark oder 1899 Mark inklusive Lufthansa-Zubringerflug nach Frankfurt. Auskünfte: SAA, Hefnersplatz 9, 90402 Nürnberg, Tel. 09 11/24 37 71. Übersichtlich ist der Katalog „Südafrika“ von SAA-Tours mit einem umfangreichen Angebot verschiedener Veranstalter.

ADAC-Reisen bieten Rundreisen und Einzelarrangements durch Südafrika per Bus, Wohnmobil, Auto und Bahn an. Preisbeispiel: ab 5661 Mark kostet die 22tägige Auto-Rundreise „Hornrabe Standard“ pro Person von Johannesburg nach Kapstadt inklusive Flug, Mietwagen und Übernachtung im Doppelzimmer. Neu ist in diesem Winter die exklusive Variante ab 7035 Mark mit Übernachtung in komfortablen Lodges und ausgewählten Hotels. Weitere Informationen: ADAC-Reisen, Am Westpark 8, 81373 München, Tel. 0 89/7 67 60 oder im Reisebüro.

Mehr über die künstlerischen Arbeiten der Buschleute erfährt man bei Bushman Art, Apianstraße 3, 83022 Rosenheim, Tel. 0 80 31/1 66 06.

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