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Wale auf offenem Meer zu beobachten, ist ein großartiges Erlebnis - und ein einträgliches Geschäft. Wie schwierig das Gleichgewicht zwischen Faszination Natur und Kommerz ist, erleben derzeit die Kanarischen Inseln.
Umweltschützer warnen vor den Folgen dieses Massenansturms für die Tiere. "Wir haben bei den Walen unnatürliche Verhaltensweisen festgestellt", sagt Meeresbiologe Roberto Montero. Der 31jährige studiert seit sechs Jahren die 23 Wal-Arten, die in Gewässern um den Archipel vorkommen. Seit 1995 arbeitet er mit einem Kollegen am Kanarischen Wal-Institut, das von der Regionalregierung gegründet wurde, um die Auswirkungen des Tourismus auf die Meeressäuger zu erforschen und Schutzprogramme zu entwickeln. Ein Großteil der Anbieter von Bootsfahrten zu den Wal-Kolonien befindet sich im Südwesten von Teneriffa, rund um die Urlauberzentren Playa de las Americas und Playa de los Cristianos. Nur 15 Bootsminuten von dort entfernt, zwischen Teneriffa und La Gomera, hat sich eine Gruppe von etwa 250 Pilotwalen angesiedelt. "Es gibt Ausflugsschiffe, die sich nicht an die vorgeschriebene Entfernung von mindestens 60 Metern zu den Tieren halten", erklärt Montero. Um Touristen noch bessere Fotos zu ermöglichen, wird so mancher Ausflug zur Hetzjagd. "Schon oft sind Wale und Delphine durch Schiffsschrauben verletzt oder getötet worden", kritisiert die lokale Umweltschutzgruppe TEA, die mit Greenpeace zusammenarbeitet. Die Forscher stellten Streßsymptome bei den Säugern fest. Ihre Tauchgänge würden länger: "Sie verbrauchen mehr Energie, ihr Nahrungsbedarf steigt." Ob und inwiefern das auch die Paarung beeinträchtigt, steht noch nicht fest. Neben den etwa sechs Meter langen Pilotwalen finden sich in dem Gebiet auch Pottwale - sie werden bis zu 18 Meter lang - und die größeren Finnwale. Das Meer vor Teneriffa ist ein idealer Lebensraum: bis zu 1 500 Meter tief, strömungsarm und reich an Nahrung. Rund 60 Boote zumeist ausländischer Anbieter mit einer Kapazität zwischen zehn und 200 Passagieren arbeiten mit der Lizenz, die von der Umweltbehörde ausgestellt wird, sagt Montero. Durchschnittlich 3 000 Pesetas (36 Mark) kostet die Fahrt pro Person. Es gibt aber zahlreiche Bootsbesitzer, die illegal Ausflüge anbieten. Sie sind schwer zu kontrollieren. Ein Dokumentarfilm ausgerechnet des französischen Meeresforschers und Umweltschützers Jacques Cousteau machte die Kanaren-Wale 1992 weltberühmt und beflügelte deren Vermarktung. Nur in den USA sei der Wal-Tourismus inzwischen weiter verbreitet als auf den Kanaren, meinen Experten. Um dem Ansturm zu begegnen, legte die Umweltbehörde der Kanarischen Inseln im November 1995 Richtlinien fest. Neben dem Mindestabstand und der Lizenzierung gilt, daß höchstens drei Ausflugsboote gleichzeitig an einem Beobachtungspunkt sein dürfen. Seit einem Jahr patrouilliert ein Schiff der Umweltbehörde, die "Calderon" (Pilotwal), die Gewässer. Verstöße werden mit Strafen von bis zu einer Million Pesetas (fast 12 000 Mark) geahndet. 56 Bußgeldverfahren hat der Leiter der Umweltbehörde, Manuel Torres, bereits gezählt. "Die Bootsführer behaupten gerne, die Tiere kämen aus Neugier selbst so nah an das Schiff." Die Kontrollen zeigten Wirkung, ein zweites Patrouillen-Boot solle aber angeschafft werden. Torres und Biologe Montero halten ein friedliches Nebeneinander von Walen und Urlaubern für möglich. Die Umweltschützer fordern allerdings weitere Schritte. "Die Zahl der Boote muß reduziert und die Beobachtung zur Paarungszeit ganz eingestellt werden", erklärt eine TEA-Sprecherin. Zudem müßten die Schnellfähren zwischen den Inseln ihre Geschwindigkeit drastisch drosseln. Immer wieder würden Wale und Delphine bei Zusammenstößen mit diesen Schiffen getötet, da die Tiere keine Chance hätten, auszuweichen. |
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