Vom Traum in die harte Wirklichkeit

Auf einem schlichten Stuhl sitzt Ex-Beatle Paul McCartney und erzählt Anekdoten aus dem Show-Geschäft, gibt Tips zum Thema, wie werde ich berühmt. Der Star zum Anfassen, das ist kein Traum mehr. Im Januar öffnete McCartneys Pop-Uni "Lipa" ihre Pforten. 200 Nachwuchs-Künstler aus aller Welt studieren am "Liverpool Institute for Performing Art". Einer von ihnen ist der Passauer Volker Schuster.

Der 28jährige hat einen verschlungenen Karriere-Pfad hinter sich, lernte erst Speditionskaufmann und Fahrlehrer, bevor er Musik studierte. "Musiker, heißt es hierzulande, werden nur Spinner und Träumer." Mit vier hatte Volker den ersten Schlagzeug-Unterricht, mit 23 studierte er klassisches Schlagwerk bei Massimo Drechsler in Hamburg.

"Er gab mir den dringenden Rat, im Ausland Musik zu studieren, wenn ich Berufsmusiker werden wollte. In Deutschland ist die Musikerausbildung eher verkrampft und auch nicht sehr berufsorientiert. Die Lipa kam mir da gerade recht."

Zuerst wollte Volker es nicht glauben: er, einer von 200 Studenten der McCartney-Uni. "Ich hatte in der Nacht vor dem Vorspielen kaum geschlafen, weil ich in einen Verkehrsunfall verwickelt war. Die Auditions gingen an mir vorüber wie im Traum. Nachdenken konnte ich nicht, irgendwie bin ich da einfach durchgerutscht." Inzwischen hat er sich schon eingelebt in Liverpool. Workshops mit Joan Armatrading, Mark Knopfler sind keine Seltenheit im Uni-Alltag.

Vier Ausbildungsrichtungen, von denen zwei gewählt werden müssen, stehen auf dem Programm: Produktionen, Performance, Komposition und Arrangement, außerdem Tontechnik. "Aber der freien Entfaltung sind keine Grenzen gesteckt. Die Lipa ist wie eine musikalische Gummizelle, in der du dich austoben kannt, bis du schwach wirst. Der ganze intellektuelle Touch wird weggelassen."

Dabei hilft die ständige Ermunterung der Star-Dozenten, den eigenen Weg zu gehen. "Musiker sind sensible Menschen und brauchen einfühlsamere Führung als andere", meint Volker. "Wahrscheinlich ist der erste Jahrgang etwas Besonderes, eine große Familie. Jeder kennt jeden. Man hilft sich untereinander. Ich werde bald Vater, ein Ereignis, das mich zunächst blockierte. Aber mein Kompositionslehrer Ian Gardner bugsierte mich durch die Prüfung und gab mir die Möglichkeit, den Stoff nachzuarbeiten."

Eine Menschlichkeit, die außerhalb der Uni nicht oft zu finden sein wird. Profis wie Lou Reed oder Steve Washington öffnen einem die Augen für die harte Wirklichkeit. Denn nicht jeder Musiker kassiert Millionen für eine Platte wie REM. "Die Realität ist so, daß man als Begleitmusiker 5000 Dollar für eine Tournee bekommt, wenn man Glück hat und erst mal verarbeiten muß, monatelang in Hotelzimmern ohne Familie zu leben."

Die Isolation kann schon jetzt geprobt werden. Die Uni gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Ohne entsprechende Ausweise gelangt niemand ins Innere, die McCartney-Studenten sind in Liverpool als reiche Schnösel verschrien. "Es fällt uns Studenten schwer, außerhalb Kontakt zu finden. In den Clubs der Stadt aufzutreten ist im Moment nicht möglich. Doch ist bei der hohen Arbeitslosigkeit die kalte Schulter der örtlichen Musiker auch verständlich. Wir sind die Konkurrenz. Aber ich hoffe, daß sich das Verhältnis in Zukunft entspannen wird."

In der Zwischenzeit gibt es viel zu tun. Volker hält nun selbst Kurse ab. Beim LIPA Workshop in Altdorf, zum Beispiel, den der Grundig Konzern veranstaltete. Tanz mit dem Starlight Express Star Jim Davis, Make Up bei Robert Paulin, Management bei Bernhard Kurz ("Cats"), Theater Technik bei Thomas Römer (Staatstheater Trier) und Musik bei Volker Schuster. Wie gründe ich eine Band, wie spiele ich mit anderen zusammen? Wie komponiere ich einen Hit? Erfolgsrezepte gibt auch Volker nicht ab, aber die Tips der Stars, angereichert um seine Erfahrungen, sind auch schon hilfreich.

EBERHARD GRONAU

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© Nürnberger Nachrichten 1997