In Ingolstadt sichern private Häuslebauer mit der Bezahlung einer Grabungsgebühr archäologische Spurensuche
Notgroschen für die
Bergung alter Schätze
Fünf Mark pro Quadratmeter – Außergewöhnliche Häufigkeit von historischen Funden: Vom Steinzeitskelett bis zum Bernsteinkollier

INGOLSTADT – Für die einen ist es das „Zukunftsmodell schlechthin“, für die anderen ein finanzielles Ärgernis: Ingolstadt ist die erste bayerische Großstadt, in der private Bauherren zur Kasse gebeten werden, damit historisches Erbe bewahrt wird.

Weil die öffentlichen Gelder immer knapper werden, müssen sich Ingolstädter Häuslebauer künftig mit einer „Grabungsgebühr“ an der Sicherung von Bodendenkmälern beteiligen. Mit fünf Mark pro Quadratmeter sind die Privatleute dabei – und müssen zusehen, wie die antiken Schüsseln und steinzeitlichen Skelette, die auf ihrem Grundstück gefunden werden, ins Museum wandern. Andere bayerische Städte interessieren sich bereits heftig für den Ingolstädter Sonderweg.

Denn in Ingolstadt und Umgebung sind wahre Schätze im Untergrund verborgen. In der Region gibt es kaum eine bebaubare Fläche, die nicht schon in prähistorischer Zeit besiedelt war. Auf Schritt und Tritt stoßen die Forscher auf Gräberfelder, auf die Reste antiker Villen und wertvollen Schmuck. Besonderes Aufsehen erregte in jüngster Zeit der Fund eines Bernsteinkolliers, das ab Herbst 1998 in einer speziellen Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert wird.

Beim Bau eines Parkplatzes wurden 2200 Perlen gefunden. Sie sind 3500 Jahre alt und gehörten möglicherweise einer Priesterin. Das Bernsteinkollier wird europaweit als bedeutender Fund eingeschätzt. Auf dem Baugrundstück eines künftigen Kindergartens legten Experten das Skelett eines keltischen Kriegers frei. In Buxheim, einem Dorf zehn Kilometer nordwestlich von Ingolstadt, fanden Archäologen Gräber, Schmuck, Pfeilspitzen und Gürtelschnallen.

Der Leiter des Ingolstädter Grabungsbüros im Landesamt für Denkmalpflege, Karl Heinz Rieder, sieht seine Arbeit als „Dienstleistung für den Bürger“. Anhand der Ausgrabungen sollen die Bewohner einer Neubausiedlung ein Gespür für Geschichte bekommen und einen historischen Bezug entwickeln zu dem Stückchen Land, auf dem sie ihr Reihenhaus bauen. „Wenn er dieses Wissen nicht hat, wohnt der Bürger in einer anonymen Steppe“, argumentiert Rieder.

Hintergrund für den Beschluß des Stadtrats, eine „Grabungsgebühr“ einzuführen, war die finanziell angespannte Situation der Kommune. Schon seit Jahren hatten sich andere Stellen wie das Landesamt für Denkmalpflege, Bezirk oder private Stiftungen aus der Finanzierung zurückgezogen, ABM-Stellen wurden gestrichen.

Karl Heinz Rieder hält die Grabungsgebühr von fünf Mark pro Quadratmeter für zumutbar. „Wenn ein Acker zu einem Baugebiet umgewidmet wird, dann steigt der Wert von 12,50 Mark pro Quadratmeter auf 350 Mark.“ Da sei es nicht übertrieben, wenn man dem Eigentümer eine „Grabungsgebühr“ aufbrummt. MARGIT AUER (dpa)

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