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Wenn
der Schlager in die Jahre kommt Es ist schon eine komische Sache mit der neuentdeckten Lust am deutschen Schlager: Da gibt es welche, die damals Stars waren und sich jetzt endlich wieder auf die Bühne trauen. Andere behaupten, sie wollten das seichte Liedgut persiflieren und bleiben doch verdächtig nahe an den Vorbildern. Und einer sagt, er würde den Schlager retten, denn er nähme ihn ernst: Guildo Horn. Was der allerdings zusammen mit seiner Begleitband Orthopädische Strümpfe anläßlich seiner Danke!-Tour auf der Bühne des Nürnberger Forums trieb, tendierte doch sehr deutlich ins Satire-Genre. Denn wenn ein schmerbäuchig-fetthaariger, sichtlich vom Leben gezeichneter Barde sich das Rüschenhemd vom Leib reißt, um mit röchelnder Raspelstimme Evergreens wie Wunder gibt es immer wieder zu einem gnadenlosen Schlagzeug-Beat zu gröhlen oder BAPs Verdamp lang her in einer aberwitzigen Kuhglocken-Interpretation zu servieren, dann reizt dies eher zu Lachtränen als zum Abflug ins Schlager-Nirwana. Guildos Hommage an Steffi Graf
trieft ebenso vor Häme, wie seine Punk-Version vom
Train To Armarillo oder sein Reggae in der
Horn-Hocke. Als Meister der
Selbstinszenierung betreibt Guildo Horn Stagediving in
Zeitlupe, spielt in Küß mich mit den
Ekelphantasien vom Froschkönig und verteilt Mamis
selbstgebackene Nußecken: Nachdem du sie
durchgekaut hast, spuck' sie wieder aus und reiche sie
deinem Nachbarn weiter Dieser Schlager-Anarchist wäre, wenn er wollte, ein richtig guter Rocksänger. Eine Ballade wie Der Mann im Mond hat durchaus Gänsehaut-Qualitäten und deklassiert einen Großteil des gängigen Hitparaden-Schrotts. Aber wahrscheinlich macht es einfach mehr Spaß, eine (im Forum allerdings nicht allzu große) Schar fähnchenschwingender Schlager-Verrückter aller Couleur zum Pfeifen und Singen, Quietschen und Jubeln zu bringen, bis der Bär los ist und der Saal kocht. Ich hab' euch alle lieb, beteuert Guildo ein ums andere Mal. Wir dich auch! HvD Aktuelle CD: Guildo Horn & die Orthopädischen Strümpfe, Danke! (EMI). |
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