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Wenn die Suppe versalzen ist Interview mit Rechtsanwalt Dirk Clausen über die Rechte und Pflichten eines Kunden im Restaurant Herr Ober, in meiner Suppe
schwimmt eine Fliege Herr Clausen, was passiert eigentlich, wenn ein Gast das Lokal verläßt, ohne zu bezahlen? Clausen: Wenn er dafür keinen triftigen Grund hat, wäre das eindeutig Zechprellerei, also Betrug. Beim erstenmal kommt man dafür sicher nicht ins Gefängnis. Aber der Wirt kann die Polizei holen und die Personalien des Zechprellers feststellen lassen, falls er sie nicht von selber preisgibt weil er sich vielleicht auf Kosten des Hauses sattessen wollte. Gibt es denn triftige Gründe, die einen Gast veranlassen können, seine Rechnung nicht zu bezahlen? Clausen: Das kann man nicht so pauschal sagen. Rein juristisch gesehen schließen Gast und Wirt einen Gastaufnahmevertrag ab, der eine Kombination ist aus Dienst-, Werk-, Miet- und Kaufvertrag. Falls es etwas zu beanstanden gibt, kommt es darauf an, welche Aspekte des Vertrages im Vordergrund stehen. Nehmen wir an, dem Gast wird eine völlig versalzene Leberknödelsuppe serviert. Clausen: Eine ungesalzene Suppe könnte man leicht nachwürzen. Aber wenn sie sowieso schon versalzen und damit ungenießbar ist, kann man sie zurückgehen lassen. Denn eine Nachbesserung, zu der ein Gastwirt laut Werkvertrag das Recht hätte, wäre unmöglich. Kann man den Preis manchmal auch mindern? Clausen: Ja, beispielsweise wenn man in einem feierlichen Rahmen unzumutbar lange auf sein Essen warten mußte. So entschied das Amtsgericht Hamburg im Falle einer Familie, die am ersten Weihnachtsfeiertag für 14 Uhr einen Tisch in einem schicken Restaurant reserviert hatte. Das Hauptgericht kam allerdings erst um 16 Uhr auf den Tisch, obwohl es sich um das Tagesmenü handelte. Statt der geforderten 148,90 Mark zahlte das Familienoberhaupt lediglich 120 Mark. Das Gericht war sogar der Ansicht, daß die Familie den Preis noch weiter hätte drücken dürfen. (Az.: 20a C 275/73) Wenn der Wein beim ersten Probeschluck nicht mundet darf man ihn dann zurückgehen lassen? Clausen: Nehmen wir einen Fall, der in Garmisch-Partenkrichen verhandelt wurde. In einem gehobenen Hotel hat ein Gast eine Flasche Riesling Spätlese zum Preis von 18,50 Mark bestellt. Die Flasche wird ihm im Sektkübel gebracht. Als sich der Gast darüber beschwert, daß ihm der Wein zu warm sei, bekommt er die patzige Antwort: Glauben Sie, daß unser Wein im Eisschrank liegt? Was darf das Hotel bei einem so miserablen Service berechnen? Clausen: Nichts. Weißwein darf höchsten bis 12 Grad warm sein und kann nicht im Sektkübel mit Eiswasser serviert werden. Außerdem ließ das Benehmen des Kellners sehr zu wünschen übrig. Laut Gericht wurde eindeutig gegen den Dienstvertrag verstoßen. (Az.: 3 C 126/68). Hier hatte der Gast sein Glas ja noch nicht ausgetrunken. Was ist, wenn man schon etwas mehr verzehrt hat? Clausen: Da wird es komplizierter. Nehmen wir den Fall mit der Schnecke im Salat. Diese Tier hat eine Frau während des Essens in ihrem Salat entdeckt. Schockiert haben sie und ihr Mann daraufhin das Restaurant verlassen, ohne die Rechnung von insgesamt 152 Mark für das komplette Menü zu begleichen. Vor Gericht wurden sie später verurteilt, 86 Mark für die bereits verzehrten Speisen zu zahlen. (AG Burgwedel, Az.: 22 C 669/85) Das heißt also, auch nach so einem bedauerlichen Vorfall muß man das bezahlen, was man vorher schon aufgegessen hat? Clausen: Das ist auch verständlich, weil sich sonst irgendwann jeder seine Schnecke mitbringt, um sie im geeigneten Moment in den Salat zu schmuggeln. Übrigens hat dieser Fall zu jahrelangen juristischen Kontroversen geführt. Diverse Professoren haben sich in Fachaufsätzen mit höchstem Aufwand darüber ereifert, ob dieses Urteil richtig war oder nicht. Werden Sie im Kanzleialltag überhaupt mit solchen Spezialfällen konfrontiert? Clausen: Bislang noch nicht. Ich kann durchaus verstehen, wenn jemand seinem Ärger Luft machen will. Nur ist es letztendlich nicht vernünftig, deswegen einen Prozeß anzustrengen. Es handelt sich doch immer um sehr kleine Streitwerte, bei denen die Brüh teurer wäre als der Fisch, wie der Nürnberger sagen würde. Interview: KARIN BECK |
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