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Herr Biedermann ist ein
Betrüger Versicherungen: Schummeleien der Kunden richten pro Jahr etwa fünf Milliarden Mark Schaden an VON Ich bin doch nicht kriminell, mein Lebtag hab' ich mir noch nichts zuschulden kommen lassen. Das würden wohl die meisten antworten, wenn man sie nach den Straftaten fragt, die sie bereits begangen haben. Stimmt das? Die deutsche Versicherungswirtschaft meldet erhebliche Bedenken an. Sie verweist auf Untersuchungen, wonach 25 bis 40 Prozent der Bundesbürger ihre Versicherung schon einmal betrogen und damit eindeutig eine Straftat begangen haben. Meistens handelt es sich den Studien
zufolge nur um Beträge unter 1000 Mark. Ein klassischer
Fall ist der Wasserschaden in einer Wohnung: Es stellt
sich heraus, daß die Versicherung bezahlen muß. Und
weil die Gelegenheit gerade günstig ist, jubelt man dem
Unternehmen auch gleich noch die Kosten für die
Stereoanlage unter, die schon seit langem kaputt ist.
Oder man macht den ruinierten Teppich um einige 100 Mark
teurer. Wird schon keiner merken. Die Versicherer haben hochgerechnet, daß sie jedes Jahr um etwa fünf Milliarden Mark betrogen werden. Sollte diese Zahl stimmen, dann entspräche das immerhin zehn Prozent des deutschen Verteidigungsetats oder den Umsätzen eines großen Konzerns. Ausbaden müssen den Schaden letztlich die Ehrlichen, denn ihre Versicherungsbeiträge steigen ständig. An erster Stelle der Statistik stehen Kraftfahrzeuge. Hier gibt es verschiedene Varianten des Betruges. Die kriminellste davon: Autos werden unter der Hand ins Ausland verkauft und dann als gestohlen gemeldet. Oder man baut absichtlich Unfälle, um bei den Versicherungen abkassieren zu können. Häufig werden auch die Rechnungen der Werkstätten frisiert. Polizeiexperten und Versicherungen haben zum Beispiel herausgefunden, daß jeder vierte Brand eines Autos inszeniert wird. Entgegen landläufiger Vorstellungen geht nämlich ein Pkw normalerweise nicht plötzlich in Flammen auf, der Brand breitet sich nur ganz langsam aus. Die Fachleute können mit kriminaltechnischen Untersuchungen inzwischen genau feststellen, ob jemand im Innenraum seines Fahrzeugs Benzin verschüttet und damit einen Brand ausgelöst hat. Die Plätze zwei und drei in der Schummel-Hitliste belegen die Bereiche Hausrat und Brillen. Viele Schäden müßten streng genommen von der Versicherung gar nicht beglichen werden, weil sie nicht unter die Vertragsbedingungen fallen. Wer sich aus Versehen auf seine Lesebrille setzt, der hat keinen Anspruch auf Erstattung. Deswegen wird häufig ein Verwandter oder Bekannter gebeten, den Sündenbock zu spielen und den Fall seiner Versicherung zu melden. Er macht sich damit genauso strafbar wie der Anstifter. Bei allen Betrugsvarianten ist
festzustellen, daß es kaum ein Unrechtsbewußtsein gibt.
Das schlechte Gewissen regt sich regelmäßig erst, wenn
der Täter überführt ist oder Anzeige erstattet
wird. Das sagt Peter Gauly vom Gesamtverband der
deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Ob Studenten
oder Professoren, Beamte oder Topmanager unter den
Betrügern finde sich jede Berufs- und Altersgruppe. Ihr
Motto: Schließlich habe ich jahrelang gezahlt,
jetzt will ich mir etwas zurückholen. Die Unternehmen wollen einen härteren Kurs gegen Betrüger fahren. Haben sie in der Vergangenheit häufig nur den geforderten Betrag nicht ausgezahlt und den Vertrag gekündigt, so erstatten sie inzwischen häufiger auch Anzeige. Peter Gauly: Das machen wir vor allem dann, wenn besondere kriminelle Energie in Form von gezielten Manipulationen zu erkennen ist oder Belege gefälscht wurden. Ein großes deutsches
Versicherungsunternehmen hat am Beispiel Brillenschäden
vorexerziert, daß sich Betrugsbekämpfung lohnt. In 1500
Fällen konnten den Kunden unsaubere, weit überteuerte
Abrechnungen nachgewiesen werden. Wäre man auf all diese
Forderungen ohne Kontrolle eingangen, dann hätte man 2,3
Millionen Mark überweisen müssen. Statt dessen
reduzierte sich der Betrag auf 130 |
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