Erlanger Student schildert Eindrücke
von einem einjährigen Aufenthalt an der Universität von
Coleraine in Nordirland
Gute Betreuung,
billige
Freizeit und reichlich Bier
Wer zu oft fehlt, bekommt
einen blauen Brief Das soziale Leben
findet überwiegend auf dem Campus oder im Pub stattVON MICHAEL GERSTER
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er
was erleben. Und bei einem Studienaufenthalt im Ausland
noch mehr. Was aber, wenn es sich nicht um eine große
und bekannte Stadt handelt wie Oxford, Paris oder Rom?
Wenn einen ein Jahr in einem Land erwartet, das man bis
dahin nur aus den Medien kannte und auch da nur im
Zusammenhang mit Terrorismus und Bomben?
Die Rede ist von Nordirland, genauer
gesagt, von der University of Ulster at
Coleraine, einer Partnerhochschule des Erlanger
Instituts für Anglistik. Schaut man in den Reiseführer,
findet sich tatsächlich ein Eintrag zu Coleraine:
Es sieht wichtig aus auf der Karte, aber es gibt
keinen Grund, dort Halt zu machen.
Ich hielt gleich für ein ganzes Jahr
dort. Zunächst standen Universität und Studium nicht
unbedingt im Vordergrund. Die erste Zeit wurde mit dem
Versuch verbracht, das Land einzuordnen, die
mitgebrachten Vorstellungen mit Leben zu füllen. Mehr
und mehr aber schoben sich dann der Unialltag und das
nordirische Studentenleben in den Vordergrund.
Bürokratie auch dort
Ob man es glaubt oder nicht:
Bürokratie gibt es auch außerhalb Deutschlands. Der
erste Gang zum registration-office endete mit
dem Hinweis, daß es einen festgelegten Tag gibt, an dem
sich alle einzuschreiben haben. Immerhin aber bekam man
schon mal ein Vorlesungsverzeichnis mit den zur Wahl
stehenden Kursen. Hatte man sich später für ein Seminar
entschieden, bestand Anwesenheitspflicht. Wer zu oft
fehlte, bekam einen blauen Brief.
Am Tag der Einschreibung dann die
zweite Überraschung: Sie wurde nicht von
Verwaltungsleuten vorgenommen, sondern von den Dozenten
selbst. Dazu gab es dann auch schon die ersten guten
Tips: Also mit der Anzahl von Kursen hast du dir
einiges vorgenommen. Ich würde das nicht schaffen.
Die Betreuung ausländischer Studenten
ist ein ausgesprochen erfreuliches Kapitel. Allein in der
ersten Woche gab es mehrere Empfänge. Es empfingen die
Univerwaltung, der Bürgermeister und die
chaiplancy eine weitere Besonderheit
britischer Universitäten. Hinter dem Begriff verstecken
sich die Kirchen: Die chaiplancy und ihre
geistlichen Vertreter fügen sich ganz normal in den
Unialltag ein.
Eine Bemerkung des anglikanischen
Geistlichen habe ich erst verstanden, als ich Nordirland
wieder verlassen hatte: Ich bedanke mich, daß Sie
hier sind und es ist gut, daß Sie hier sind und viel von
der großen weiten Welt mit sich bringen. Der
Konflikt aus Nordirland läßt sich nämlich aus der
Abgeschiedenheit des Landes erklären.
Doch nicht nur das Studium gestaltet
sich anders, sondern auch die Freizeit. Gerade hier merkt
man den Unterschied zwischen einer deutschen und einer
irischen beziehungsweise britischen Universität. Das
sogenannte social life die Zeit die
man mit anderen verbringt findet zum größten
Teil in Verbindung mit der Uni statt.
Für jeden Geschmack etwas
dabei
Zu Beginn jeden Semesters findet eine
fair statt, eine Messe, auf der sich die
verschiedenen Clubs und Vereine vorstellen. Da ist für
jeden Geschmack etwas dabei. Ausgefallenere Sportarten
wie Fechten, Hurling oder Gaelic Football einer
Mischung aus Rugby, Fußball und Handball gehen
einher mit so gewöhnlichen Freizeitangeboten
wie Schach oder Tischtennis. Oder wen zu sehr das Heimweh
plagt, kann sich auch der German Society
anschließen und an der Inszenierung deutscher Klassiker
teilnehmen.
Trotz der großen Unterschiede haben
die Clubs eines gemeinsam. Der Vereinsbeitrag ist sehr
günstig und es wird sehr viel Spaß versprochen, was oft
mit dem Genuß von sehr viel Alkohol verbunden ist. Das
Studentenleben in Nordirland ist recht preiswert: Eine
Stunde im Fitneßraum der Uni kostet keine zwei Mark. Im
gleichen Rahmen liegen auch die Preise für die Benutzung
der Badmintonplätze. Bahn und Busse sind fast die
Hälfte billiger.
Die Bierpreise sind mit denen in
Deutschland durchaus vergleichbar. Zwischen vier und
fünf Mark muß man schon für ein Pint
ewas mehr als einen halben Liter auf die
Theke legen. Und was nicht fehlen darf, ist der
sogenannte hangover am nächsten Morgen. Man
paßt sich rasch an, als foreign student.
Denn es gehört einfach zum Irish
way of life, viel zu trinken. Das hängt sicherlich
damit zusammen, daß man versucht, dem grauen Alltag zu
entfliehen. Andererseits ist man gerne gesellig beisammen
und da ist der Pub einfach der zentrale Ort. Man geht
dort nicht immer mit Freunden hin, aber man trifft welche
dort oder schließt neue Bekanntschaften.
Wenn die Pubs dann spätestens um ein
Uhr schließen, trifft man sich danach noch beim
nächsten fish-and-chips-shop. Wer keinen
Fisch mag, nimmt ein chip buttie, ein
Brötchen gefüllt mit dicken Pommes frites, die man mit
Salz und Essig bestreut.
Bohnen zum Frühstück
Wer das seltsam findet, kann sich zum
Frühstück in der Mensa das traditionelle Ulster
Fry bestellen. Neben den üblichen Baked
Beans und Bacon gibt es neben einem
Spiegelei und Würstchen auch noch ein in der Pfanne
gebratenes Kartoffelbrot. Aber auch ohne Alkohol und
trotz mancher kulinarischer Besonderheiten kann man
sagen, daß Nordirland und das Leben als Student dort
einem die Augen öffnen für die schönste Zeit des
Lebens.
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