Nicht alle fiebern der Reform schon freudig entgegen
Podiumsdiskussion im Kollegienhaus zeigte, wieviel Mißtrauen und Ablehnung es auch an der FAU in Erlangen noch gibt

VON GEORG ESCHER

Das Verhältnis von Deutschen und Niederländern ist nicht immer ganz spannungsfrei. Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aber müssen die Nähe zu ihrem westlichen Nachbarn als Standortvorteil empfinden. Denn während im großen Rest des Bundesgebietes noch heftig darum gerungen wird, wie eine Reform der deutschen Universitäten aussehen sollte, ist in NRW einiges davon bereits Wirklichkeit - und die Anleihen von jenseits der Grenze sind offenkundig.

Kein Wunder also, daß Anke Brunn, Wissenschaftsministerin aus Düsseldorf, bei einer (von der SPD-Landtagsfraktion und der Juso-Hochschulgruppe veranstalteten) Diskussionsrunde im Kollegienhaus der Universität Erlangen-Nürnberg über die Frage "Ist die Uni noch zu retten?" mit einem souveränen Auftritt glänzen konnte. Finanzautonomie der Hochschulen, interdisziplinäre Studiengänge, Evaluation der Professoren und Dozenten, "das gibt es bei uns schon", konnte Brunn vor den rund 60 Zuhörern selbstbewußt sagen.

Die Neuerungen haben bei den Rektoren ihre Wirkung nicht verfehlt. Ihr Blick für wirtschaftliche Aspekte ist inzwischen gut geschärft. Seit die Mittel leistungsorientiert, nach Absolventenzahlen, vergeben werden, haben sie einen starken Anreiz, tunlichst Bedingungen für kürzere Studienzeiten zu schaffen, um möglichst viele Abschlüsse zu haben. "Früher", so Brunn, "haben die gar nicht gewußt, wie viele Absolventen sie eigentlich haben."

Entsprechend wenig kann die 54jährige der derzeitigen Debatte über eine Neufassung des Hochschulrahmengesetzes abgewinnen. "Das geht zum Teil hinter das zurück, was in den Ländern schon passiert", erklärte die Ministerin, die im übrigen durchaus der bayerischen Linie beipflichtete, daß der Föderalismus auch den Hochschulen nur nützen könne. "Es muß in Schwerin und München nicht alles so sein wie in Münster und Siegen", befand sie und lobte ausdrücklich, daß auch im Freistaat die Mittel für die Universitäten noch relativ üppig flössen. Der beliebten Klage, wonach die deutschen Hochschulen "im Kern verrottet" seien, widersprach Brunn energisch. "Wir sollten die Universitäten nicht schlechter reden, als sie sind", mahnte sie.

Klar wurde allerdings auch, daß bei weitem nicht alle Beteiligten der Reform freudig entgegenfiebern. So schien Walther Göttlicher als Vertreter des akademischen Mittelbaus der FAU der Aussicht, daß die Universität künftig von den Fesseln der Kultusbürokratie befreit werden und mehr Wettbewerb in die Gemäuer der Alma mater einziehen könnte, nicht nur gute Seiten abzugewinnen. Schon beim Stichwort Finanzautonomie fürchtet Göttlicher, daß es am Ende nur heißt: "Ihr kriegt weniger Geld, aber dafür dürft ihr selber damit umgehen."

Für großen Ärger dürfte die geplante Neuverteilung der Macht an den Hochschulen sorgen. Um die oft quälend langwierigen Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, sollen in dem künftigen "Unternehmen Hochschule" Rektoren und Dekane gestärkt werden, Gremien wie der Senat dagegen an Einfluß verlieren. Gerade im Mittelbau, das machte ein im Publikum anwesender Dozent klar, fürchten aber nicht wenige, daß dann das Unwesen der "Provinzfürsten" und die "Mauscheleien" noch mehr überhandnehmen.

Noch weniger scheint vielen die Vorstellung zu behagen, künftig von den Studenten benotet zu werden. Erste Ansätze dazu gibt es zwar, wie Prorektor Bernd Naumann einwarf, bereits für Germanistik, Englisch und die Wiso-Fakultät. Andererseits hängen offenbar aber auch in Erlangen viele der Überzeugung an, "nur Professoren können Professoren beurteilen". Es werde sogar kolportiert, daß diese Erkenntnis ausgerechnet von einer amerikanischen Studie bestätigt werde.

Ein merkliches Raunen auf den Zuhörerbänken erntete Mittelbau-Vertreter Göttlicher für seine Einschätzung, daß ohnehin nur zwei bis drei Prozent der Vorlesungen und Seminare "nicht so gut" seien, die Reform also "keinen so großen Unterschied machen" werde. Studentenvertreter Thorsten Koch sah das, zumindest für sein Fach Jura, "gerade andersherum": Zwei Prozent der Veranstaltungen seien gut, "den Rest kann man vergessen".

Die Forderung mehrerer Studenten, ihre Vertreter in den Hochschulgremien müßten deshalb bei Berufungen ein Vetorecht haben, wurde allerdings unisono zurückgewiesen. Das hätten, wandte Prorektor Naumann ein, nicht einmal die Professoren. Selbst Dorle Baumann, die hochschulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, mochte sich, so sehr sie ansonsten für eine größere Demokratisierung der Hochschulen eintrat, diesem Verlangen nicht anschließen.

Einem Dozenten im Publikum kam dies ohnehin wie eine "Geisterdiskussion" vor. In 90 Prozent der Fälle gäben die studentischen Vertreter bei den Berufungen ohnehin keine Stellungnahme ab, und wenn doch, dann schlössen sie sich immer der Mehrheit an. Nur in einem Fall sei das anders gewesen, "und der liegt lange zurück" - allerdings: In diesem Fall hätten die Studenten mit ihrer Ablehnung recht behalten.

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© Nürnberger Nachrichten 1997