Daß der Habilitand Michael Nickl bei
der Erlanger Philosophischen Fakultät II durchfallen
würde, stand offenbar schon vorher fest
Ein Dekan beweist seine große
Begabung im Voraussehen
Schon vor dem
Prüfungsverfahren wurde das negative Ergebnis mitgeteilt
Der Kandidat beschreitet jetzt zum zweiten Mal den
RechtswegVON THOMAS FINK
Eine gescheiterte Habilitation an der
Universität Erlangen-Nürnberg ist ins öffentliche
Blickfeld gerückt. Daß der Kandidat bereits zum
zweiten Mal mit seiner schriftlichen Arbeit
durchgerasselt ist, spielt dabei jedoch kaum eine Rolle.
Es geht vielmehr um Prof. Franz Joseph
Hausmann, Dekan der Philosophischen Fakultät II (Sprach-
und Literaturwissenschaften), der sich dem Vorwurf
ausgesetzt sieht, hellseherisch begabt zu sein: Er hatte
bereits im Frühjahr dem Rechtsvertreter der Universität
Erlangen-Nürnberg mitgeteilt: Der Kandidat Michael
Nickl, der habilitiert werden will, werde aller
Voraussicht nach zum mündlichen Examen nicht
zugelassen, werde also schon aufgrund der
schriftlichen Leistungen durchfallen.
Seit etwa zehn Jahren versucht Nickl,
vor der PhilFak II die Hochschullehrerprüfung abzulegen.
Der Kandidat hat den Weg in die Wissenschaft nicht als
weltfremder Träumer eingeschlagen. Seine Münchner
Doktorarbeit wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung
gefördert. Die angesehene Görres-Gesellschaft gewährte
ihm ein Habilitanden-Stipendium. In seiner
Habilitationsschrift geht es um den lateinisch
schreibenden Thomas von Erfurt (um 1230) als einen
Vorläufer moderner Theorien über sprachliche
Verständigung, auf neudeutsch: Kommunikation.
Die Fakultät hatte im
Habilitationsverfahren Nickls schon einmal negativ
entschieden, war aber gerichtlich zur Wiederaufnahme der
Sache mit einem auswärtigen Gutachter gezwungen worden
(Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 30. Mai 1995
AN 2 K 92.02216). Der auswärtige Experte, Klaus
Schönbach aus Hannover, hatte sich im März, als der
prüfungsleitende Dekan seine Vorhersage machte, noch gar
kein abschließendes Urteil von Nickls Arbeit
über den Sprachwissenschaftler gebildet.
Für Hausmann kam es darauf aber auch
nicht entscheidend an, da das Gesamtergebnis ja
günstigstenfalls 4:1 gegen Nickl lauten konnte
vier einheimische Professoren hatten ihm bereits
in der vorangegangenen, vom Gericht für ungültig
erklärten Prüfungsrunde vernichtende
Gutachten (Hausmann) ausgestellt. Allerdings tragen
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die negativen
Stimmen die Erschütterungslast gegenüber
einem positiven Gutachten dessen Argumente
müßten erst Punkt für Punkt widerlegt werden
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. März 1994
6 C 1.93).
Gleichwohl traf Hausmanns Voraussage
zu: Als im Mai alle Gutachten vorlagen, konnte die
Prüfungskommission zu einer Bewertung gelangen, die
Gesamtfakultät darüber nochmals beraten und abstimmen.
Die weiteren Schritte im Prüfungsverfahren folgten bis
Herbst. Ergebnis: Nickl fiel zum zweiten Mal durch.
Als ungewöhnlich kann man jedoch die
Vorhersage des Dekans betrachten: Immerhin hatte das
Verwaltungsgericht Ansbach im Fall Nickl bereits beim
ersten Mal daran erinnert, daß die Beurteilung in den
Prüfungsgremien bis zuletzt offen sei und von niemandem
vorweggenommen werden könne.
Nickls Aussichten waren offensichtlich
beeinträchtigt, weil er den Erfolg als
Revierfremder in Erlangen suchte: Er war dort
an keinen Lehrstuhl seines Fachs angebunden. Nickl war
eigentlich niemandes Schüler, wie es in
seinem Umfeld heißt, er sei von niemandem
protegiert worden. Unabhängig von diesem Fall
stellt Wolfgang Löwer, Dekan der Bonner Rechts- und
Staatswissenschaftlichen Fakultät, fest: Wenn kein
Hochschullehrer für das Gelingen einer Habilitation in
persönlicher Verantwortung steht und damit das Risiko
mitträgt, wird es für Arbeiten, die qualitative
Grenzfälle sind, schwer.
Hausmann selbst findet den Vorwurf der
Prophetie als absolut absurd: Ich
habe nur eine Wahrscheinlichkeit geäußert, und die war
sehr wohl begründet. Denn schließlich sind doch alle
fünf Gutachten vernichtend gegen Nickl
ausgefallen. Mehr noch: Als der ganze Vorgang von
einer deutschen Wochenzeitung aufgegriffen wurde, schrieb
Hausmann in einem Leserbrief: Dr. Nickl mit der
vorliegenden Arbeit zu habilitieren, wäre eine
Beleidigung für alle anderen Habilitanden.
Inzwischen prüft das Bayerische
Kultusministerium, das die Rechtsaufsicht ausübt, diese
Äußerung Hausmanns. Wegen des schwebenden
Verfahrens will der zuständige Referent zunächst
nichts weiter dazu sagen und geht damit indirekt
auf Distanz. Michael Nickl beschreitet inzwischen zum
dritten Mal den Rechtsweg gegen das Nein, der
Fakultät. Die kann den Gang abwarten und auf Zeitgewinn
spielen: Der Habilitand ist inzwischen fünfzig und über
der Sache bereits arbeitslos geworden. Für Hausmann
steht fest: Der Kandidat Dr. Nickl kann in Bewegung
setzen, was er will. Bei uns wird er niemals habilitiert
werden.
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