Eine hochkarätig besetzte Tagung in
Hannover brachte interessante Einblicke in die
Finanzierungsmodelle anderer Länder
Bei der Hochschulreform
brauchen wir einen Cocktail
Der Trend geht zu weniger
komplizierten Indikatoren Wieviel
Gestaltungsfreiraum muß sein? Selbstbewußte
deutsche VorreiterVON GEORG
ESCHER
Die Reform der Finanzierung ist ein wichtiger
Pfeiler der Hochschulreform. Wie dies in Großbritannien,
den Niederlanden, Dänemark, Israel und Finnland
praktiziert wird und welche Modelle in Deutschland
erprobt werden, war Thema einer zweitägigen Konferenz,
zu der das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und
das Hochschul-Informations-System (HIS) nach Hannover
geladen hatten. Mit fast 200 Teilnehmern fand die
hochkarätig besetzte Tagung eine enorme Resonanz.
Ihren Kollegen Finanzministern traut
Helga Schuchardt bestimmt nicht, wenn es um die
Hochschulreform geht: Die Globalisierung wird
eingeführt, weil dann was gespart werden kann. Glauben
Sie ja nicht etwas anderes, warnte die
niedersächsische Wissenschaftsministerin. Und doch,
trotz dieses Dämpfers drängte sich in Hannover der
Eindruck auf, daß der Reformvirus sich an vielen
Hochschulen bereits stark ausgebreitet hat.
Vor allem Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gewähren ihren
Hochschulen bereits viel Freiraum. Detlef
Müller-Böling, Leiter des CHE, das schon als
heimliches Bildungsministerium bezeichnet
wurde, war sich jedenfalls sicher, daß der Trend zu
Globalhaushalten nicht mehr aufzuhalten ist.
Werner Fleischer aus dem
Wissenschaftsministerium in Düsseldorf wagte sogar die
Feststellung, daß die Reform in NRW bereits so weit
fortgeschritten sei, daß nur noch marginale
Verbesserungen möglich sind. Rektor Erich Hödl
von der Gesamthochschule Wuppertal räumte zwar ein, der
Anfang der Reform sei ziemlich
diskussionsreich gewesen. Es kam sogar zu einer Art
Bündnis zwischen dem Rektorat der Universität und dem
Ministerium, während ein Großteil der Professoren sich
ablehnend verhielt und Mehrarbeit
befürchtete. Auch sie schwenkten schließlich aber
auf Reformkurs ein, als sich zeigte, daß gute Leistungen
neue Mittel hereinbringen.
Die Veränderungen sind zwar eher
bescheiden. Größter Gewinner war die relativ junge
Universität Bielefeld mit 1,1 Millionen Mark plus,
abgeschlagener Verlierer die Universität Münster mit
1,4 Millionen Mark minus. Doch auch diese Summen sind
spürbar.
Dem verspäteten Reformstart in
Deutschland können die Modernisierer wenigstens einen
positiven Aspekt abgewinnen: Sie können Fehler
vermeiden. In Großbritannien und den Niederlanden waren
die Formeln, nach denen die Mittelzuweisung berechnet
wurde, anfangs viel zu kompliziert. Bei den Briten wurde
der Lehraufwand für die verschiedenen Fächer (und damit
die Höhe der Finanzierung) anfangs in elf Preisstufen
eingeteilt. Inzwischen sind es nur noch vier
Studienkategorien: klinische Medizin, Laborfächer,
teilweise Laboraufwand sowie reine
Klassenzimmerkurse. In den Niederlanden, wo
es erst 15 Preisklassen gab, sind es nur noch zwei:
technische und nicht-technische Fächer.
Durchzusetzen scheint sich
international wie in Deutschland, daß die Mittelvergabe
für die Lehre zu einem erheblichen Teil von der Zahl der
Abschlüsse bestimmt wird. Dies soll ein Anreiz sein für
möglichst kurze Studienzeiten. Die Befürchtung, dies
könnte zu Qualitätseinbußen führen, hat sich bisher
nicht bestätigt. So stellte etwa Rektorin Karen Sonne
Jakobsen von der dänische Roskilde-Universität fest,
die Drop-out-Quote habe sich nicht verschlechtert.
Intensiv gerungen wurde in Hannover um
die Frage, wie hoch der Anteil der formelgebundenen
Mittelvergabe sein soll. Die Praxis im Ausland ist hier
keineswegs einheitlich. In Großbritannien werden, wie
Gareth Williams von der University of London erläuterte,
90 Prozent der Mittel anhand festgelegter Indikatoren
vergeben, nur zehn Prozent sind verhandelbar.
In den Niederlanden wiederum werden 75 Prozent der
Forschung als strategisch bewertet und sind
damit offen für politische Gewichtungen.
Keines der ausländischen Modelle sei
eins zu eins übertragbar, hatte CHE-Leiter
Müller-Böling schon zu Beginn der Tagung
vorweggeschickt. Am Ende traf Josef Reiter, der
Präsident der Universität Mainz, den Tenor mit seiner
Feststellung: Wir brauchen einen Cocktail.
Einigkeit herrschte auch in der Meinung, die Parameter
für die Mittelzuweisung dürften nicht zu eng sein, da
sonst jeder Gestaltungsspielraum verlorengehe.
Aufmerksam registriert wurde, wie in
England und Israel (das das britische Modell übernahm)
die staatlichen Gesamtzuweisungen ausgehandelt werden. In
beiden Ländern ist dies Sache eines zahlenmäßig sehr
kleinen Gremiums, das als Puffer zwischen
Hochschulen und Regierung geschaltet wird. In Israel (das
das Modell weiter in seiner ursprünglichen Form
praktiziert, während sich in England die Regierung
wieder stärker einmischt) sitzen nur sechs Leute in
diesem Komitee: vier Vertreter der Hochschulen sowie zwei
Vertreter der Industrie und kein einziger
Regierungsvertreter. Bisher funktioniert das System
hervorragend. Die Mittel werden jeweils für einen
Zeitraum von drei bis vier Jahren ausgehandelt, und das
Renommee des Komitees ist so hoch, daß die Hochschulen
durchaus die Mittel bekommen, die sie brauchen. Das
schafft Planungssicherheit.
Eine Lektion ganz anderer Art hatte
Rektor Williams aus London noch parat: Er zeigte, wie
erfinderisch Universitäten sein können, wenn ihnen
erlaubt wird, eigene Einnahmen zu machen. An den
britischen Hochschulen macht dieser Posten bereits 16,5
Prozent der Einnahmen aus. Beratungsdienste, Seminare im
Ausland (viele davon in Asien), sogar eigene Kreditkarten
werden angeboten. Sobald man kommerziell denkt,
stellen sich alle möglichen Dinge ein, meinte
Williams.
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