Das Erlanger Fach Chemieingenieurwesen als eines von 16 bundesweiten Pilotprojekten
Start zum zweisprachigen Studium
Ab Wintersemester werden die Lehrveranstaltungen je zur Hälfte in Deutsch und Englisch gehalten

VON MARTIN RÖSCH

Kerstin träumt von den USA. Aber nicht Urlaub in Florida oder Kalifornien ist ihr Ziel. Die Studentin des Chemieingenieurwesens (CIW) möchte ein Jahr an der renommierten Universität von Massachusetts verbringen. Derzeit ist das noch schwierig: „Studienleistungen im Ausland werden nicht anerkannt, aber es gibt auch sprachliche Hürden“, sagt die 22jährige.

Mit der Internationalisierung des Erlanger CIW-Studiengangs, der zukünftig zweisprachig in Deutsch und Englisch durchgeführt wird, soll sich das grundlegend ändern. Um die Attraktivität der deutschen Unis zu steigern, fördert der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) insgesamt bundesweit 13 auslandsorientierte Studiengänge. Als einer davon wurde das Erlanger CIW unter mehr als 60 Bewerbern ausgewählt.

Internationalisierung heißt für Prof. Franz Durst, Lehrstuhlinhaber für Strömungsmechanik, zweierlei: „Wir wollen Studenten aus dem Ausland anwerben und außerdem die Wettbewerbschancen unserer Studenten verbessern.“ Grundvoraussetzung dafür ist, daß die Hälfte der Vorlesungen in Englisch und Deutsch gehalten wird. „Das hilft den deutschen Studenten, die in ihrem Beruf technisches Englisch dringend brauchen. Dazu wird Ausländern die Anfangsangst vor einem Studium in Deutschland genommen“, so Durst.

Von Anfang an begeistert

Die Studierenden waren von diesem Vorhaben von Anfang an begeistert, die Fachschaftsinitiative hat ihre eigenen Konzepte eingebracht. „Wir wollen, daß es Sprachkurse in kleinen Gruppen gibt“, sagt Stefan (25). „Schließlich ist nicht jeder Chemiestudent ein Englisch-Genie.“

Die Notwendigkeit, im späteren Beruf ins Ausland zu gehen oder mit ausländischen Kollegen zusammenzuarbeiten hat er längst erkannt. „Mit der Auslandsorientierung erhöhen wir auch unseren Marktwert in der Industrie“, hofft Stefan.

Das kann Manfred Gross von der Siemens AG nur unterstützen: „Wenn die deutsche Industrie zum Beispiel am Aufschwung in Südostasien teilhaben will, brauchen wir international ausgerichtete Arbeitskräfte. Deshalb ermuntern wir die Hochschulen zu internationalen Projekten.“

Auslandsprogramme kosten aber Geld. Daher sollen in der Industrie Sponsoren gefunden werden, die Ausländern ein Studium in Erlangen und Deutschen ein Studium im Ausland ermöglichen. Unter anderem mit den Universitäten in Sofia, Lissabon und Peking bestehen bereits entsprechende Kontakte.

Zusätzlich "Master of Science"

Neben der Zweisprachigkeit ist es Durst vor allem wichtig, daß die Studenten außer dem deutschen Diplom auch einen international anerkannten Abschluß erhalten. „In den USA oder in Asien kann mit dem Titel Diplom-Ingenieur keiner etwas anfangen. Diplome erhält man dort bereits für den Abgang von der Mittelschule“, sagt Durst. „Wir wollen zusätzlich den Master of Science vergeben.“ Eine Vereinheitlichung der Abschlüsse soll es möglich machen, daß ein Studienwechsel ins Ausland und zurück möglich wird.

Wann Durst seine erste Vorlesung in Strömungslehre in englischer Sprache halten wird, ist noch unklar. An der Sprachkompetenz der Dozenten werde das Vorhaben nicht scheitern, versichert er: „Viele Kollegen haben, wie auch ich, längere Zeit im englischsprachigen Ausland verbracht und mit der Sprache keine Probleme.“

Zunächst müssen aber noch Fragen der Studien- und Prüfungsordnung geklärt werden. Das Ministerium, so Prorektor Prof. Bernd Naumann, habe bereits seine Zustimmung signalisiert. Doch frühestens 1998, schätzt Naumann, werde alles geklärt sein.

Gleichwohl werden bereits jetzt Studienanfänger für das kommende Wintersemester angeworben. Für die derzeit Studierenden, so Durst, müssen Übergangslösungen gefunden werden.

"Man muß abwarten"

Manche von ihnen sind noch skeptisch: „Es wird viel Schönes geredet, aber man muß abwarten, ob sich die Internationalisierung auch für uns lohnt“, meint Kerstin. An ihrem Traum von Massachusetts hält sie jedenfalls fest.

Auslandsorientierung und Internationalisierung sind zur Zeit heiß diskutierte Schlagworte in der Hochschulreform-Diskussion – auch an der Universität Erlangen-Nürnberg. Dieser Hochschulreport stellt zwei konkrete Projekte der Technischen bzw. der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät vor.

Ein weiterer Schritt der Öffnung sollen sogenannte Sommerakademien sein, die der Lehrstuhl für Strömungsmechanik (Prof. Franz Durst) in diesem Jahr in Sarajevo und Izmir veranstaltet. Sie sollen ausländische und deutsche Studenten mit Professoren und Firmenvertretern zusammenführen. Die Themen sind an aktuellen Forschungsbereichen orientiert; jeder Student muß einen Vortrag halten und vor den anderen Kursteilnehmern „verteidigen“. Daneben steht das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund.

Nähere Infos unter der Telefonnummer 0 91 31 / 85-95 01.

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