Königliches am Kräuterpfad

Bei Conny Bösl ist eigentlich immer Saison. Denn es gibt kaum ein jahreszeitliches Produkt, das der Wirt der „Alten Post“ in Kraftshof nicht auf den Tisch bringt, solange der Markt es bietet – wobei „Markt“ für den Küchenmeister nicht unbedingt kommerziell definiert ist. Das Marktangebot, das die Zusammenstellung seiner Speisekarte wesentlich mitbestimmt, kann auch aus einem abgelegenen Waldstück stammen – in Form junger, zarter Brennesselblätter, wie sie jetzt gerade noch zu finden sind. In ein paar Tagen schon kann das grüne Un-Kraut zu kräftig sein, um daraus noch eine so delikate Suppe mit Tomaten und Spargel (7,80 Mark) zu zaubern, wie wir sie bei unserem jüngsten Besuch genossen haben.

Apropos Spargel: Der ist jetzt angesagt und wer ein Gasthaus mitten im Anbaugebiet ansteuert, erwartet die gesunden Stangen mit Recht auf dem Teller. Selbstverständlich trägt die Crew der „Alten Post“ zunächst einmal jenen Spargelliebhabern Rechnung, die nach dem Motto „Bloß keine Experimente“ auf die traditionellen Gerichte aus sind. Dazu zählen der Salat mit Schnittlauch (18,80 Mark) und der Sud mit Eierfäden (5,80 Mark). Ebenso wird das bekannte Beilagen-Paket, bestehend aus heißem Spargel mit Sauce Hollandaise oder zerlassener Butter und Salzkartoffeln (21,80 Mark) serviert; dazu bieten sich an der gekochte Beinschinken (12,80 Mark), drei fränkische Bratwürste (7,80 Mark) oder eine Kombination aus beiden. Wir dürfen nicht verschweigen, daß ein Stänglein ums andere bestens geschält und genauestens gegart war. Dies ist in manchem Restaurant, das sich auch als Spargellokal anbietet, leider nicht der Fall.

Die etwas anderen Geschmäcker trifft Bösl, wenn er das königliche Gemüse gratiniert zu einer gebratenen Maishähnchenbrust und Rissolé-Kartoffeln (38,80 Mark) oder in einem Ragout mit Riesengarnelen, Tomaten und Gemüsestreifen zu Wildreis (39,80 Mark) serviert. Die Zusammenstellungen harmonieren und sind keineswegs das Ergebnis undurchdachter Experimente mit dem Essen; dazu sind die Grundprodukte zu schade – und zu teuer.

Lamm, Ente, aber auch Schäufele und Kalbshaxe, vegetarische Angebote, verschiedene Steaks und Fisch – passend zur Saison: die suberb gebratene Maischolle mit Speck, Krabben, Dillkartoffeln und Gurkensalat (23,80 Mark) – sind mit viel Gemüse, Salat und Kräutern auf der Speisekarte zu finden. Wer nach Bösls großzügig bemessenen Portionen noch Platz im Magen hat, kann sich die köstlichen Desserts (ab 9,80 Mark) einverleiben, die derzeit – siehe Jahreszeit – viel Rhabarber und Erdbeeren enthalten.

Conny Bösl ist mit Leib und Seele Gastronom. „Mit ein paar kleinen Ideen kann man viel erreichen“, sagt der Teamchef der deutschen Köchenationalmannschaft fast zu bescheiden, der in Küche und Keller – die Frankenweine dominieren hier – das Zepter schwingt. Sein Gasthaus, in dem er vor bald 50 Jahren geboren wurde, ist sicher auch das einzige mit eigenem Kräuterlehrpfad: Die würzigen Aromen gedeihen unter den liebevollen Händen von Wirtin Heidi Bösl im Biergarten. SUSANNE THEML

„Alte Post“, Kraftshofer Hauptstraße 164, 90427 Nürnberg,
Telefon (09 11) 30 58 63; täglich 11.30 bis 14 Uhr und 17.30 bis 22 Uhr; 220 Plätze in sechs Stuben, Reservierung empfohlen.

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