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Gabentisch für Genießer Das "Grand Hotel" ist, wie der Name schon sagt, das erste Haus am Platze. Eine noble Herberge, jedem Nürnberger vertraut und doch so fremd. Einheimische brauchen gemeinhin keinen Logierplatz. Und nur mal reinzuschauen und die Pracht zu staunen, das trau'n sich die wenigsten. Heute abend aber scheint die Schwelle abgesenkt zu sein: Die Gäste, die da hemmungslos durchs Foyer laufen, haben kein Gepäck, aber Freunde und Verwandte im Schlepptau. Ihr Ziel ist die "Brasserie", und die Leute scheinen zu wissen, was sie erwartet - ein "Schlemmer-Büffet", so üppig und fein aufgetischt wie auf den Traumschiffen des Fernsehens. Wir sind zum ersten Mal hier und noch ungeübt in Usancen. Darf man, soviel man will? Aber wie sieht das aus, wenn man die Beute himmelhoch auflädt und sie vor aller Augen abschleppt? Wir schauen auf die Kenner, die andächtig den Gabentisch umkreisen, den Teller vor der Brust tragend wie eine Reliquie; Feinschmecker, die sich dort ein Garnelchen aufpicken, da eine Lachsscheibe, eine Auster. Ein erlesenes Haus erzieht sich seine Esser. Beim nächsten Gang probieren sie die italienischen Antipasti, dann die Salate. Und immer wieder stehen sie auf und wählen. Niemand schaut indigniert, auch nicht das freundliche Personal. Ist der Teller leer, kommt die nette Saaltochter (unsere ist aus England) räumt ab und bringt neues Besteck. Als Hauptspeise stehen acht Gerichte zur Auswahl, Gans mit Knödeln, Saltimbocca, chinesischer Gemüseeintopf, ein wunderbarer Wirsingflan und und und. Schon jetzt reut's uns, daß wir schon so oft gelaufen sind, doch angesichts des Dessert-Büffet sind wir tief bekümmert. Da stehen die ausgeklügelsten Cremes und Cassaten, Savarins und Soufflés, feine Biskuits und exotische Früchte; ein süßes Schlaraffenland, himmlische Labsal - und wir sind satt. Die große Platte mit Käse, der doch erst den Magen schließen soll, die schauen wir erst gar nicht an. Nein, für vorbildliche Krankenkassen-Kunden ist solch eine Schlemmer-Orgie nichts. Auch nichts für Diätapostel. Aber für all die Genießer, die einmal richtig erlesen und opulent speisen wollen, ohne sich zu verschulden. Das runde Vergnügen - Essen, soviel man will, inclusive Wein - kostet nämlich nur 59 DM. Zum Vergleich: Für ein Hauptgericht à la carte muß man etwa 40 DM berappen. Das neuerlich Angebot der Hotelküche jedenfalls scheint sich zu rechnen. Wie andere Nobel-Herbergen war auch das Grand Hotel gezwungen, seine heiligen Hallen für Laufkundschaft zu öffnen. Mit Logiergästen allein nämlich läßt sich der riesige Personalaufwand in Haus und Küche nicht halten. Auswärtige Gäste haben nun mal die schlechte Angewohnheit, aushäusig zu speisen; zum einen, weil sie aus alter Gewohnheit den Hotel-Restaurants mißtrauen, zum anderen, weil sie in fremden Städten stets nach dem Geheimtip suchen. Nun also profitieren einheimische Gäste von einer ausgeklügelten Gastronomie und einem professionellen Service - ob beim Schlemmer-Büffet, dem Familien-Brunch, dem Candlelight-Dinner, den japanischen oder italienischen Wochen. Und wenn sie sich auch keine Suite leisten können, so haben sie doch kurzfristig das erhabene Gefühl, ein Gast des Grand Hotels zu sein. KERSTIN MÖLLER Restaurant "Brasserie" im Grand Hotel, Bahnhofstraße 1-3, Telefon: 0911/ 23 22 0; 120 Plätze; täglich geöffnet; die besonderen Angebote sind über den "Kulinarischen Kalender" oder telefonisch zu erfragen; das Schlemmer-Büffet gibt es jeden Freitag und Samstag ab 19 Uhr; Tischbestellung empfehlenswert. |
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© Nürnberger Nachrichten 1997 |