Diese Sehnsucht nach dem Süden

Gottseidank, sie sind wieder da. Viel zu lange hatten sich Dieter Rosezky (zuletzt Café Rosezky) und Peter Preis (zuletzt „El Loco“) aus der hiesigen Bar-Restaurant-Kneipenszene verabschiedet. Und es hatte bitterer Mangel zu herrschen begonnen überall in der Stadt. Denn wo, oh eifrige Wanderer durch die nächtliche Szene Nürnbergs, konntet Ihr Euch hierorts zuletzt nach 22 Uhr überhaupt noch stärken – und das lecker, aber zu moderaten Preisen? Seid mal ehrlich: Die Möglichkeiten waren verdammt begrenzt!

Seit neun Wochen aber lenken die Hungernden der Nacht wieder leichten Herzens ihre Schritte gen Süden – schnurstracks hinein ins „El Sur“ von Peter Preis, mitten im Herzen der Nürnberger Altstadt, am Weinmarkt 5. Der Name aber hat weniger mit geographischen Standpunkten als mit einem ganz bestimmten Lebensgefühl zu tun. Er ist eine Hommage an die Leichtigkeit des Seins in südlichen Gefilden, wo der Mensch unter Olivenbäumen seine Gedanken baumeln lassen und vor allem wunderbar schlemmen kann. Und wo Dieter Rosezky (der jetzt im „El Sur“ den Kochlöffel schwingt) ein Jahr lang Zeit hatte, sich in einem portugiesischen Fischerdorf mit den Feinheiten der einfachen, aber äußerst schmackhaften mediterranen Küche zu beschäftigen.

Das Ergebnis dieser Erfahrungen ist die kleine, aber dafür umso feinere Speisekarte im „El Sur“: Da sind wunderbar kräftige Pappardelle mit Hühnchenbrust und Pilzen (15,50 Mark) zu finden oder herrlich zartes Lammfilet mit Peperonata und Kartoffeln, gewürzt mit frischem Thymian (19,50 Mark). Oder soll es vielleicht doch Kaninchen in Weißwein, mit Rosmarin, Schalotten und Polenta (19,50 Mark) sein? Unbedingtes Muß ist vor allem anderen ein Vorspeisen-Teller mit Bruschetta (geröstetem Weißbrot), das mit verschiedensten Köstlichkeiten in unterschiedlichen Kombinationen überbacken wird (8 Mark). Klingt einfach, ist in der Tat auch ganz simpel und schmeckt genialisch.

Das Angebot wechselt alle zwei Tage, richtet sich ganz nach den Möglichkeiten der Saison und je nach dem, was Rosezky bei seinen täglichen Streifzügen durch das Angebot seiner Stammhändler an frischen Zutaten so findet. Und worauf er selber beim Kochen gerade mal Lust hat. Der siebte Tag der Woche aber gehört fest dem guten, alten Sonntagsbraten: Da sind Schäufele, Schweinsbraten oder sonstige fränkische Spezialitäten angesagt.

Das Hobby der Wirte sind „edle Tropfen“: Dementsprechend ausführlich und umfangreich ist die Weinkarte, auf der französische, italienische und neuerdings auch spanische Rebensäfte vertreten sind. Der Gast steht also ständig vor äußerst diffizile Entscheidungen: Denn zuallererst muß überlegt werden, wo man überhaupt sitzen will. Lieber „sehen und gesehen werden“ im oberen Stockwerk? In der Nähe der Bar, wo sich die Nachtschwärmer treffen? Oder vielleicht doch lieber eher intim im Kellergeschoß, vielleicht sogar am Zweiertisch im Separee?

„Das Lokal“, grinst Rosezky, „war früher mal ein Bordell, daher noch die Raumaufteilung“. Die neue Einrichtung spielt mit den Elementen, die die Vorgänger hinterlassen haben. Von der dunklen Holzvertäfelung über die roten Samtvorhänge bis zum wunderbar-kitschigen Kristallüster erinnert vieles an die dekadente Vergangenheit der Räume. Aber nicht nur das ist geblieben: Auch heute, wir bekennen es ganz offen, ist das „El Sur“ immer eine Sünde wert. Kulinarisch gesehen, natürlich.

ELISABETH JÄNDL

„El Sur“, Weinmarkt 5, Nürnberg. Telefon: 244 87 80. Geöffnet täglich von 11.30 Uhr bis 1 Uhr nachts (kein Ruhetag). Warme Küche bis 0.30 Uhr. Unten 22 Plätze, oben 30. Draußen ebenfalls rund 30 Sitzgelegenheiten. Reservierung empfohlen.

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