Süß-Scharfe Liebschaften

Es war damals Liebe auf den ersten Blick – denn großes Gefühl geht schließlich immer durch den Magen und egal was immer wir auf der Reise quer durch das exotische Königreich Thailand kosteten, ob am Imbißstand an der Straße, auf schwimmenden Küchen-Booten oder im Luxusrestaurants, es schmeckte immer köstlich – oder anders herum, es gab nichts Gekochtes, Frittiertes, Flambiertes oder Gebrutzeltes, was nicht irgendwie hervorragend gemundet hätte.

Wieder daheim im deftig kochenden Franken bereitete die Erinnerung an das heiter-leichte Schwelgen in Kokosmilch-Gerichten mit dem Geschmack von Zitronengras, Minze oder Koriander auf der Zunge natürlich erheblich Liebeskummer – und Entzugserscheinungen. Bis, ja bis im letzten Jahr Kino-Multi Wolfram Weber („Cinecitta“) das Restaurant „China-Garten“ im Wespennest direkt an der Pegnitz erwarb.

Entstanden ist daraus ein verwunschenes Thai-Paradies im bunt-prächtigen Ethno-Look im Zeichen des Gecko. Klar, daß Weber als Cineast sein Lokal „Indochine“ taufte – nach dem gleichnamigen üppigen Leinwandepos über den Untergang des französischen Kolonialreichs in Südostasien.

Derart raffiniert verführt sind wir sofort ohne schlechtes Gewissen fremdgegangen. Allerdings haben wir uns zuerst oberflächlich von Äußerlichkeiten blenden lassen: Vor allem von der romantischen Lage. An Sommerabenden auf der Holzterrasse direkt am Wasser sitzen, umringt von Bambusstauden einen Drink schlürfen und über das träge dahintreibenden Gewässer blicken – da sieht, nach einem oder zwei „Mai Tai“, die Pegnitz plötzlich dem Chao-Praya-Fluß ziemlich ähnlich.

Inzwischen haben wir auch die eigentlichen Werte schätzen gelernt: Der vietnamesische Geschäftsführer Hung van Nguyen, vorher im „Lorenz“, hat die Speisekarte bewußt kleingehalten: Neben der Standard-Karte mit acht festen Hauptgerichten (13 bis 25 Mark), sechs Vorspeisen (sieben bis 13 Mark) und zwei Desserts (um die acht Mark) bietet der so gar nicht exotische Koch Jürgen Schmitt ein wechselndes Wochenmenü und täglich neue, preiswerte Mittagsgerichte.

Nur gut, daß es die Frühlingsrollen „Cha Gio“ (7,50 Mark) aus Vietnam als Hommage an die Herkunft des Chefs immer gibt. Denn sie gehören einfach zum Start ins exotische Eß-Vergnügen. Die Reisblätter, gefüllt mit Glasnudeln und Hackfleich, werden, eingerollt in Minzblätter – in süß-saure Sauce getaucht. Ganz schamlos mit den Fingern.

Danach kann jeder seine ganz privaten süßen oder scharfen Leidenschaften ausleben: Ob schlicht mit „Pad Pak Ruam Mit“ (Pfannengerührtem Gemüse) oder mit „Gäng Kiau Wan Gai“ (Hähnchen mit grünem Curry und Basilikum), bisher gab es nichts, was nicht gemundet hätte. Es wird wohl doch eine dauerhafte Beziehung werden. ELISABETH JÄNDL

„Indochine“, Wespennest 13, Nürnberg, Telefon: (0911) 2 06 66 27. Täglich geöffnet von 11 bis 15 Uhr und von 18 bis 1 Uhr. Warme Küche bis 23 Uhr, freitags und samstags bis 24 Uhr. Kein Ruhetag. 100 Plätze im Innenraum auf drei Etagen, hundert auf der Terrasse.

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