Einfaches kann so gut sein

Von außen betrachtet wirkt das "La Locanda" in Gostenhof wie ein Jugendtreff, ein bißchen abgeschrammt und in Eigenarbeit hergerichtet wie die ganze Umgebung im Schatten des Güterbahnhofs. Im Aushang eine Speisekarte mit italienischem Einerlei. "Vorzügliche Küche" ist handschriftlich dazugefügt.

Der Erstbesucher tritt nur zögerlich ein - und sieht sogleich, daß hier kein Platz mehr für ihn ist (trotz Reservierung). Aber ja doch, ein Tisch für zwei reicht auch vier, wenn Ellbogen- und Kniescharniere funktionieren und man dem Hund vom Nachbarn nicht auf den Schwanz tritt. Dichtgedrängt hocken die Esser vor riesigen Pasta-Bergen und sind vollauf beschäftigt. Nur wenn die junge Signora kommt mit einem neuen gefüllten Teller, schweifen die Augen gemeinsam zum Nebentisch: Was kriegen die? Sieht gut aus. Muß man sich merken.

Wir schauen uns um und sind irritiert. Ockergelb die Wände, blau die Holzpaneele, darunter graue Bänke mit dunkelroten Bezügen, Tischtücher und Servietten aus Papier - ein bißchen mehr Stil möchten wir von Italienern schon erwarten können. Schließlich hält jede simple Dorf-Osteria auf blütenweiße "Coperta".

Aber schon eilt Signore Ciappetta herbei mit der großen Schiefertafel, liest vor, übersetzt das täglich wechselnde Angebot: Thunfisch, Seewolf, Goldbrasse, Scampi, gegrillt, gedünstet, mit Gemüse, mit Pasta. Fischiges und Vegetarisches sind die Spezialitäten des Hauses. Fleisch, meint der junge Padrone aus Kalabrien, könne man heutzutage ja nicht mehr anbieten. Ganz schnell schlucken wir unsere Vorurteile runter. Allein der Vorgeschmack auf die Gerichte weckt Lustgefühle und weitet den Magen. Und das muß sein: Die Portionen sind hierorts so üppig bemessen, daß man zwei blinde Passagiere ohne weiteres mit durchfüttern könnte.

Der im Gemüse gegarte Steinbutt (ein ganzer!) mit grünem Pfeffer füllt den Teller bis zum Rand; er schmeckt frisch und fein naturbelassen. Und die Gnocchi misti erst, gefüllt mit Spinat, Steinpilzen, Rucola und Mozzarella sind sensationell. Nach solchen Sattmachern geht nichts mehr, auch wenn wir versucht sind, vom Nachbarn ein Löffelchen Panna Cotta zu stibitzen (hier gibt's zwei pro Person).

Haben wir anfangs über das Interieur gemeckert? Vergessen Sie's! Nach all dem schnieken Chrom-Weiß-Ambiente und dem edlen, kalten Purismus andernorts verströmt Senfgelb geradezu Gemütlichkeit. Das "Locanda" will schließlich nicht mehr sein als ein einfaches Lokal, wo man sich gut und preiswert sattessen und wohlfühlen kann. Liebespaare oder Geschäftsesser aber sollten gegenwärtig sein, daß Abschlüsse jedweder Art hier immer Mithörer finden. KERSTIN MÖLLER

Ristorante "La Locanda", Nürnberg, Austraße 15, Telefon: 0911/ 2876864; 45 Plätze (im Sommer Gartenbetrieb); geöffnet täglich außer Montag von 17 bis 24 Uhr (warme Küche); preiswerte Gerichte; Platzreservierung empfehlenswert.

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© Nürnberger Nachrichten 1997