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Fisch mit Scherz und viel Herz Vom Gehsteig führen ein paar Stufen zur tiefer gelegenen Eingangstür, durch die sich große Gäste bücken müssen. Jeder Neuankömmling wirft einen Blick nach rechts in die Küche und ergattert auf diese Weise eine Nase voll Karpfen. Erst dann wendet sich der Hungrige nach links, betritt den Gastraum und freut sich - schlichtweg darüber, daß er sich einen Platz hat reservieren lassen. Dort kann er nun seinen geliebten "mittleren Gebackenen" genießen. Die Rede ist vom Stammgast der alteingesessenen Erlanger "Fischküche Nützel". Und das ist ein Lokal mit vielen, vielen Stammgästen, die das gleichbleibend gute Essen nicht nur mit klingender Münze, sondern eben mit ihrer Anhänglichkeit lohnen. Wir können dies mittlerweile gut verstehen, auch wenn wir noch längst nicht den Stammgast-Status erreicht haben. Der bedeutet übrigens keineswegs eine übertriebene Vorzugsbehandlung; bedient wird hier jeder gleich freundlich und jeder bekommt einmal einen der Scherze des netten, flinken und gelenkigen Obers ab, der in Wirklichkeit der Chef ist. Über der Speisekarte brütet in dieser Fischküche kaum jemand. Zur oben beschriebenen Stetigkeit gehört nämlich auch, daß fast alle, die hierher kommen, immer nur das eine wollen: einen gebackenen Karpfen, recht rösch und recht braun, nach "Nützel"-Art eben. Meist fehlt auf keinem Teller ein Stück "Ingreisch", immer kommt zum Fisch eine ordentliche Portion Kartoffelsalat, grüner wie Endivien jedoch nie - außer, der Gast ordert ihn extra. Der beliebte "Mittlere" kommt je nach Tagespreis auf 16 bis 18 Mark. Neben dem Favoriten aus der Pfanne wählen Gäste ab und zu auch gerne die "blaue" Version. Probiert und für gut befunden haben wir bei unseren Besuchen auch die Forelle (um die 16 Mark) und den Waller im Wurzelsud (rund 25 Mark). Zu diesen Fischgerichten gibt es Salzkartoffeln, zerlassene Butter und Salat; die Beilagen sind untadelig, auch wenn wir bei den Kartoffeln - ganz gleich, welcher Zubereitungsart - fast ins Schwärmen geraten könnten. Eigentlich besteht die Speisekarte nur aus einer Seite. Zu den bereits genannten Gerichten kommen noch Schleie, Zanderfilet, Aal und Hecht (gefüllt und gespickt, ab zwei Personen, pro Portion etwa 20 Mark). Fisch-Freund, was willst du mehr? Und verirren sich Fleischesser zum "Nützel", dann wird ihnen mit Wiener Schnitzel, Bratwürsten oder Käse gedient. Das Gasthaus, dessen Fassade eine Fischfigur aus dem
Fundus der früheren Nürnberger Fischküche Rackl ziert,
haben Hugenotten gegründet; es wird in der fünften
Generation geführt. Aus dem 18. Jahrhundert stammt noch
die originale Wandverkleidung. Schöne Bauernschränke,
handgearbeitete Lampen und solide Tische und Stühle
schaffen eine leicht altmodische Atmosphäre, die das
Rentnerpaar, der emeritierte Professor, die Fabrikantin
oder die Studenten-Clique gleichermaßen schätzen; wir
schließen uns da an. Einen Herrn Nützel gibt's
übrigens nicht mehr; das ist jetzt der Chef im
Ober-Anzug und der heißt Martin Schubert. Er hat die
Tochter von Vorbesitzer Helmut Müller geheiratet, den
wiederum viele für den Herrn Nützel halten...Egal - das
Lokal bleibt in der Familie und die kümmert sich mit
Leib, Seele und offensichtlich viel Liebe darum, daß
rund um den Karpfen alles so bleibt, wie es war. Fischküche Nützel, Bayreuther Straße
33, Erlangen, |
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© Nürnberger Nachrichten 1997 |