Wallenstein aus Miami

Ob „Goldener Stern“, „Grüner Baum“ oder „Schwarzer Adler“: Landauf, landab stößt der Gast – zumal in Dörfern und Landstädtchen – auf stets dieselben, traditionsreichen Namen. Sie verheißen allemal bodenständige, in der Regel durchaus gediegende Bewirtung; etliche haben sich freilich durch eine originelle, anspruchsvolle Küche hervorgetan.

Schon von seiner Lage her weckt auch das „Rote Roß“ im Herzen von Altdorf Erwartungen, die über das übliche Braten-, Ragout- und Filetangebot hinausgehen. Seit mindestens 350 Jahren wird in dem historischen Anwesen getafelt und gezecht – im Saal im ersten Stock, heute Teil einer Privatwohnung, haben Soldaten schon während des 30jährigen Krieges Hochzeit gefeiert.

Und so begrüßt auch, wie könnte es anders sein, eine kleine Wallensteinfigur die Besucher in der Gaststube. Es ist gewiß das kurioseste Schmuckstück in der mit Holzvertäfelung, alten Krügen und Strohfiguren, Blumengestecken und Bildern des Alt-Nürnberger Landes gestalteten Stuben: Wirt Herbert Riedner und seine Frau Ingrid haben den grinsenden Feldherrn mit dem breitkrempigen Hut ausgerechnet in Miami aufgestöbert.

An seinem Herd setzt der Küchenchef, der den Betrieb in fünfter Generation führt, allerdings weniger auf den (Einheits)-Geschmack der großen, weiten Welt als auf die bürgerlich-regionale Küche mit leicht österreichischem Einschlag, hat die Familie ihre Wurzeln doch im Salzburger Land. Abwechslung ist Trumpf: Die Karte des Hauses ändert sich täglich und umfaßt neben Fisch- und Fleischportionen aus Ofen und Pfanne auch jeweils einige, zunehmend gefragte vegetarische Gerichte.

Drei Drei-Gang-Menüs zu Preisen zwischen 24 und 40 Mark bilden das Grundgerüst: Neben einer Suppe oder – in der gehobenen Kategorie – zum Beispiel einem pikanten Räucherfischteller werden etwa Tafelspitz auf Apfelmeerrettich, Karpfenfilet mit Morchelsauce oder mit Rahmzwiebeln garnierter Lammrücken serviert. Schleckermäuler erwartet zum Schluß nach Wahl hausgemachtes Tiramisu, eine locker-sahnige Quittencreme oder ein Pfannküchlein, mal mit Quark, mal mit Zwetschgen.

Auch der Spaß, sich die Speisenfolge selbst zusammenzustellen, wird hier nicht nachträglich beim Blick auf die Rechnung getrübt. Dabei braucht das „Rote Roß“ schon bei der gefälligen Präsentation den Vergleich mit renommierten Adressen nicht zu scheuen: Mit Früchten und Krabben, Apfelsalat, Dillrahm und Senfhonigdip ergeben etwa die Schnitten der Karpfenterrine als Vorspeise ein ansprechend buntes wie geschmacklich ausgewogenes Arrangement. Wer nicht nur rundum satt werden, sondern seinen Gaumen mit mehrerlei Reizen verwöhnen will, ist beispielsweise mit einem „Gutsherrentöpfchen“ gut beraten: Gebratenes von Huhn, Pute und Rind, dazu eine Gemüseauswahl und ein üppiger Salatteller sollten hungrige Wandergesellen ebenso zufriedenstellen wie kritische Geschäftsleute.

Je nach Saison offeriert Riedner Fisch, Wild und Pilze, als besondere Leckerbissen gelegentlich auch Bison – und jeden Freitag saure Lunge. Die fränkischen Standard-Braten und Brotzeiten sowie Extras für die kleinen Gäste („Münchhausens Kanonenkugel“ oder „Käptn's kleine Flotte“), nicht zu vergessen die „Altdorfer Spatz'n“ (mit Käse überbackene Bratwürste) runden das Angebot ab.

Vielseitig wie die Küche ist auch das Publikum: Aus dem gesamten Großraum zieht es vor allem am Wochenende Stammgäste hierher, unter der Woche finden sich Einheimische neben Reisenden ein, die einen Abstecher von der Autobahn machen, die Seniorenrunde ebenso wie der Honoratioren-Stammtisch. Schade nur, daß die Wirtsfamilie ihr mit dem Anwesen verbundenes Braurecht nicht mehr zu nutzen vermag, obwohl sich die Häuser mit eigenem Gerstensaft doch steigender Beliebtheit erfreuen. WOLFGANG HEILIG–ACHNEK

Gasthof „Rotes Roß“, Oberer Markt 5, 90518 Altdorf, Tel. (0 91 87) 52 72. 100 Plätze in drei Gasträumen, kleiner Saal für Festlichkeiten mit 40 Plätzen; geöffnet täglich außer montags; donnerstags ab 14.30 Uhr geschlossen; warme Küche 11 bis 14 und 17 bis 21.30 Uhr. Reservierung empfohlen.

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